2016: Widerstand gegen die rechte Offensive aufbauen!

Eine Analyse des Lagers des Faschismus, Rechtspopulismus und Rassismus sowie eine Darlegung der antifaschistischen Strategie
von Manfred Meier, deutscher Unterstützer der Revolutionär-Kommunistischen Internationalen Tendenz (RCIT), 25.2.2016, www.diekommunisten.net

Im Folgenden wollen wir einen Überblick über die faschistischen und rechtspopulistischen Kräfte in Deutschland geben. Daraus wollen wir eine Einheitsfrontlinie entwickeln, die auf Erfahrungen, aber auch einer Analyse der aktuellen Situation beruht.
In den letzten 20 Jahren, insbesondere seit der globalen Weltwirtschaftskrise 2008, hat es weltweit kräftige Verschiebungen im Klassengefüge, so auch in Deutschland, gegeben. Breite Bereiche der Mittelschichten und des Kleinbürgertums rutschen ab oder befürchten dies akut. Ebenso arbeiten wachsende Teile des Proletariats unter zunehmend prekären Bedingungen, gerade Jüngere haben es schwer, einen unbefristeten, tariflich abgesicherten Job zu bekommen. Auch die Kernbelegschaften der Industrie werden angegriffen. ArbeiterInnen mit migrantischen Hintergrund stellen zusammen mit kürzlich Eingewanderten einen immer größeren Teil des Proletariats, aber auch der industriellen Reservearmee, dar.
Es ist daher wenig überraschend, dass das bisherige Parteiensystem ins Wanken gerät.
Beginnen wir mit einem Überblick über die rechte Szene und ihre Aktivitäten in letzter Zeit.

I. Die rechten und faschistischen Kräfte in Deutschland

Es gibt offensichtlich Verbindungen von Polizei, Verfassungsschutz und anderen Behörden mit der Neonazi-Szene. Aber verschiedene parlamentarische Ausschüsse kommen den Tatsachen nur sehr schwer auf die Spur, was diese Gremien auch nach den Kriterien bürgerlicher Demokratie grundsätzlich sehr in Frage stellt.
NSU
Langsam wird immer deutlicher, dass es nicht eine 3 Leute-Kombo war, die als NSU systematisch Immigranten ermordete. Dabei wird offensichtlich, dass Teile des Staatsapparates immer wieder Beweismaterial vernichteten, Akten verschwinden lassen, Zeugen „Gedächtnislücken“ haben oder Aussageverbot bekommen oder schlicht lügen und verschleiern. Analysen der antifaschistischen Szene gehen heute eher von bis zu 200 Angehörigen der NSU aus, was zudem in rechten Kreisen auch wohlbekannt ist.

 

Anschläge ohne Ende


Regelmäßige Angriffe auf Migranten, Helfer und Organisationen der Arbeiterbewegung deuten darauf hin, dass es dahinter ein organisatorisches und ideologisches Gerüst gibt. 2015 hat sich die Zahl der Anschläge gegenüber 2014 vervielfacht, selbst nach offiziellen Zahlen auf ca. 1200, auch wenn sehr oft selbst in eindeutigen Fällen eine Zuordnung nicht vorgenommen wird. Die Zahl rechter Straftaten stieg 2015 auf über 13.000.

 

NPD


Obwohl diese Partei recht stark im parlamentarischen Bereich Einbußen verzeichnet, von Verbot und Pleite bedroht ist, stellt sie doch ein Rückgrat der militanten Rechten dar. Auf parlamentarischer Ebene wird wohl die AfD die Nachfolge antreten. Im militanten Bereich werden die NPD-Kader die Rolle einer SA antreten und bei Anschlägen auf Migranten weiterhin eine wichtige Rolle spielen.
In diesem Zusammenhang sei auch darauf verwiesen, dass der Parteitag der NPD in Weinheim von hunderten PolizistInnen beschützt wurde. Dabei wurden 200 Demonstranten verhaftet oder verletzt. Alle Festgenommenen wurden nach Mannheim gebracht und dort stundenlang festgehalten. Am Nachmittag fand eine Demo statt mit ca. 2.000 Menschen, darunter auch Genossen und GenossInnen der RCIT aus Österreich und Deutschland.

 

PEGIDA


Diese Gruppierung hält sich unter dieser Bezeichnung im Wesentlichen nur noch in Dresden, mobilisiert dort aber wöchentlich mehrere Tausend. Anfang Februar hat PEGIDA zu einem europaweiten Aktionstag aufgerufen, der aber in Dresden unter den Erwartungen blieb und auch im Ausland nur begrenzte Resonanz fand. Gründer Bachmann verkündet neuerdings Sympathien für die griechischen Faschisten von Chrysi Avgi.

 

Die Rechte, der Dritte Weg, Identitäre


Dies sind weitere bisher legale Organisationen, die zumeist auf lokaler und regionaler Ebene eine gewisse Rolle spielen, ebenso wie einige rechtspopulistische regionale Bewegungen und rechte Bewegungen zu bestimmten Aspekten („Islamisierung“ von Kindergärten, homophobe Bewegungen usw.)
Jürgen Elsässers Compact Magazin und die gleichnamigen Veranstaltungen sind nun auch im rassistischen Lager angekommen

 

AFD


Die AFD versucht seit der Trennung vom wirtschaftsliberalen Flügel auch auf der Straße eine Führungsrolle zu spielen. In Berlin und anderen Städten hat sie relativ große Demos auf die Beine gestellt und dabei als Erbe von PEGIDA u.ä. die Führungsrolle übernommen. In Wahlprognosen liegt sie für den Osten Deutschlands weit über 10 Prozent, verzeichnet aber auch für den Westen Zuwächse.
Um Rassisten wie Björn Höcke, dem Thüringer Landesvorsitzenden, entbrennt dabei ein scheinbar grundlegenderer Streit. Der SPIEGEL berichtet dazu:
„Der Streit in der Alternative für Deutschland (AfD) über den Umgang mit dem Thüringer Landeschef Björn Höcke sorgt für immer mehr Unruhe in der Parteiführung. Nun stellt sich AfD-Vize Alexander Gauland offen gegen die Vorsitzende Frauke Petry. Diese hatte Höcke im Sender MDR zum Parteiaustritt aufgefordert. Gaulands Kritik: "Der Bundesvorstand hat ausdrücklich keine Maßnahmen gegen Björn Höcke beschlossen und ihn nicht verurteilt. Ich finde es falsch und zutiefst unfair, dass sie das jetzt umdeutet und etwas anderes vertritt", sagte er der "Bild"-Zeitung (Montagsausgabe).
Der Bundesvorstand hatte einen Parteiausschluss Höckes am Freitag vermieden, ihn aber nachdrücklich aufgefordert "zu prüfen, inwieweit seine Positionen sich noch in Übereinstimmung mit denen der AfD befinden". Das kommt einer Aufforderung zum Austritt schon sehr nahe. Zwischen der AfD-Bundesspitze und Höcke hatte es bereits mehrfach Streit gegeben, weil die Bundesspitze seine Äußerungen als zu rechts empfand.
Anlass der jüngsten Auseinandersetzung war eine Äußerung Höckes über die Reproduktionsstrategie von Afrikanern ("Solange wir bereit sind, diesen Bevölkerungsüberschuss aufzunehmen, wird sich am Reproduktionsverhalten der Afrikaner nichts ändern.") und seine Gratulation an die französische Rechts-Partei Front National zum Abschneiden bei den Regionalwahlen.
Der bayerische Landesvorsitzende Petr Bystron sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", in der Partei herrsche die Meinung vor, dass Höckes umstrittene Äußerungen keine Ausrutscher gewesen seien. "Wenn er solche Sachen verbreiten will, muss er sich eine andere Plattform suchen."
Äußerung zu Afrikanern sei „unglücklich gewesen“
Hamburgs AfD-Fraktionschef Jörn Kruse nannte Höcke einen Wiederholungstäter und seine Äußerungen "eindeutig rassistisch". Es müsse einen "öffentlichen Aufruhr" geben, verlangte er. Den Parteivize und brandenburgischen Landeschef Gauland, der Höcke bisher geschont hatte, forderte er auf, "sich von Höcke zu distanzieren, um Schaden von der Partei abzuwenden".
Die Patriotische Plattform vom rechten Parteiflügel attackierte dagegen Petry: "Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass hier die Gelegenheit genutzt werden soll, um einen unliebsamen Konkurrenten zu erledigen." Die Äußerung zu den Afrikanern sei unglücklich gewesen, die Plattform stehe aber ‚ohne Wenn und Aber zu Björn Höcke‘.“ (1)


Wenig später war von einem Ausschluss Höckes keine Rede mehr in der AfD.
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat Ende 2015 enthüllt, dass Höcke wesentlich beeinflusst wurde von zwei ehemaligen CDU-Landtagsabgeordneten aus Fulda. Einer der beiden ist Martin Hohmann, der vor über 10 Jahren aus der CDU ausgeschlossen wurde. Er verkündete die These vom „jüdischen Tätervolk“. Das zielte ab auf Bolschewiki jüdischer Herkunft wie Leo Trotzki. Hohmann ist heute in der AFD und kandidiert für diese.
Die AFD stellt zurzeit eine prä-faschistische politische Kraft dar. Deren Schwerpunkt zurzeit noch auf dem parlamentarischen Bereich liegt, wo die AfD unter Umständen in den kommenden Landtagswahlen mit zweistelligen Ergebnissen rechnen kann. Dies kann sich allerdings durch den Zustrom weiterer rechter Kräfte ändern. Aus dem faschistischen Bereich nähern sich Kräfte an, die sich als eine Art „SA“ der AfD zur Verfügung stellen.
Höcke, aber auch Petry und von Storch oder Gauland lassen immer wieder Versuchsballons los, um zu sehen, wie weit sie gehen können.
Die Übergänge sind zwischen PEGIDA, NPD usw. und der AFD fließend. Hinzu kommen konspirative Strukturen, die sich relativ unbehelligt entwickeln und bewegen können und wohl auch an Anschlägen auf MigrantInnen und Flüchtlinge beteiligt sind.
Auf all diesen Ebenen gibt es Verbindungen in den Staatsapparat, Informationen aus Polizei und Verwaltung kommen zu den Faschisten.
Es ist heute noch nicht klar, was in Köln passierte, wer dahinter steckt. Nur so viel:
Am Tag vor Silvester 2015 hat sich ein Iraker, der früher für den US-Auslandsgeheimdienst gearbeitet haben soll, in Mannheim gemeldet mit Hinweisen, dass in München ein Anschlag stattfinden solle. Er nannte diverse Namen von Verdächtigen, die sich aber als nicht auffindbar herausstellten. Die bayerische Staatsregierung sperrt daraufhin zwei Bahnhöfe und sagt öffentliche Veranstaltungen zu Sylvester ab. Die bayerische Polizei marschiert waffenstarrend auf.
In allen anderen Großstädten gibt es dann kriminelle und sexistische Übergriffe zu Sylvester, in deren Folge die Stimmung kippt und das Asylpaket 2 durchgepeitscht wird. Dieses ist allerdings ein Paket gegen die Gewährung von Asyl ist und abschreckende Maßnahmen aller Art beinhaltet. SPD, CDU und FDP überbieten sich in Fiesitäten gegenüber Flüchtlingen. (2)
Es gibt es immer noch keine näheren Erkenntnisse über die Sylvester-Vorkommnisse in Köln und anderen Städten, aber wir kennen das Ergebnis: eine entfesselte rassistische Hetze, eine verschärfte Politik der Hetze gegen alles Fremde. Oft sieht es aus, als habe der rechte Massenmörder Anders Brejvik mit seinem Manifest das Drehbuch für das Handeln der Rechten geschrieben.
Das Ergebnis ist klar: Die Umfragewerte für die AfD steigen 2016, ebenso auch die Zahl der Anschläge auf Flüchtlinge. In Sachsen ist sogar von Pogromstimmung die Rede. Es gibt AfD-geführte Demos und Kundgebungen und vereinzelt NPD-Aufmärsche.


Soziale Frage


Was aber augenfällig ist: die Rechten aller Schattierungen haben keine Antwort auf die soziale Frage, außer Vertreibung aller Fremden und Autarkievisionen (siehe Anti-Euro-Politik).
Diese Politik läuft auf eine Nationalisierung des sozialen Elends hinaus, keine Kritik der wirklichen Ursachen, keine wirkliche Perspektive. Zwar versucht der sogenannte Dritte Weg, mit „antikapitalistischen“ Parolen und 1.Mai-Aufmärschen wie 2015 in Saalfeld, auf der sozialen Schiene zu punkten, aber bisher ist das nicht prägend für die rechten Kräfte. Aber sie werden versuchen, dieses Feld zu besetzen.

II. Der antifaschistische Widerstand

Letztlich beinhalten die Politik der AfD, von PEGIDA und anderer Rechter sehr gefährliche Perspektiven: Deportation, Vertreibung oder aber in letzter Konsequenz physische Vernichtung aller Menschen mit migrantischen Wurzeln. Aber der Angriff zielt auf alle Unterstützerinnen der MigrantInnen. Mehr noch: er richtet sich auch gegen die reformistischen Organisationen der Arbeiterbewegung (Linkspartei, SPD, Gewerkschaften) und selbst gegen die offen bürgerlich-demokratische Kräfte (z.B. Grüne, Teile der CDU). Obwohl die Rechten schon eindeutig durch Anschläge auf Linke oder auch auf Angehörige bürgerlicher Parteien Zeichen gesetzt haben, verstehen viele noch nicht diese Gefahr in ihrem vollen Ausmaß. Für Faschisten war dies alles immer etwas, dass es zu vernichten galt, und für Faschisten gehören SozialdemokratInnen immer noch zu den Angriffszielen. (Siehe den Anschlag Brejviks in Norwegen, der sich gegen die Jugendorganisation der Sozialdemokraten richtete.)
Die Kräfte des antifaschistischen Widerstandes leiden an einer Reihe von grundlegenden Problemen. Zuallererst muss betont werden, dass die großen Organisationen der Arbeiterbewegung (Linkspartei, SPD, Gewerkschaften) in der Regel keinen Finger rühren für ernsthafte Mobilisierungen gegen die rechte Gefahr. Einzelne lokale Aktionen sind da die absolute Ausnahme. Und wenn es zu Aktionen kommt, dann sind es in erster Linie Veranstaltungen, die den Rechten nicht wehtun, sondern deren Aktivitäten bloß „kritisch“ begleitet und weitab von den Aufmärschen der Rechten stattfinden.
Die Bewegungen, Bündnisse und Initiativen gegen rechts sind absolut nicht einheitlich aufgestellt. Leider gab es 2015 zunehmend Situationen, wo die rechten Kräfte mehr Menschen mobilisieren konnten als die linken. Dies sind einstweilen noch Ausnahmen, können sich aber vermehren unter den Bedingungen einer schwächelnden Linken.
Eine weitere Schwäche ist die Konzentrierung auf ein NPD-Verbot, weil hier auf Staat und Polizei gesetzt wird. Dabei sind die Erfahrungen eher, dass die Polizei die Faschisten schützt und Behörden rechte Anschläge und Verbrechen schlicht leugnen oder verharmlosen. (3)
Viele Antifa-Gruppen sind in großen Teilen antideutsch und sektiererisch eingestellt, sie greifen statt der Faschisten oft die gesamte Bevölkerung an und verhindern eine ernsthafte Antifa-Einheitsfrontpolitik
Die Antideutschen wollen die AFD und andere Rechte angeblich bekämpfen, sind aber in Wirklichkeit selber zutiefst rassistisch. Sie stehen den Menschen mit muslimischem Glaubenshintergrund distanziert bis feindlich gegenüber und sehen in der vermehrten Einwanderung dieser schon ein Anwachsen des Antisemitismus. (4)
Die Gewerkschaften sind teilweise von Funktionären durchsetzt, die antideutschen Ideologien anhängen. So kommt es vermehrt vor, dass UnterstützerInnen von antiimperialistischen Aktionen aus Bündnissen gegen rechts ausgeschlossen werden. Dazu genügt schon eine Beteiligung an antiimperialistischen Demos z.B. zur Unterstützung des palästinensischen Widerstands.
Andere Funktionäre von DGB-Gewerkschaften verweigern jegliche Kritik an der Regierungspolitik der SPD, was Asyl und Migration anbetrifft, auch wenn diese eindeutig Beschlüssen des DGB oder von Einzelgewerkschaften entgegensteht.
Lediglich in Stuttgart hat es im Januar 2016 eine größere Demonstration gegen die rechten Angriffe auf MigrantInnen gegeben. Ansonsten sind DGB und Einzelgewerkschaften zurzeit relativ zögerlich. Es gibt durchaus noch andere Aktivitäten, vor allem in Baden-Württemberg. Das sind aber auch oft Veranstaltungen, die Gewerkschaftsführungen zusammen mit Unternehmerverbänden und Kommunalregierungen abhalten.
Aber was wir brauchen, sind unabhängige Aktionen der Arbeiterklasse und der MigrantInnen, frei vom Einfluß von Staat, Bürokratien und Kapital.
Die Organisationen der Migranten beteiligen sich zum Teil sehr intensiv an antifaschistischen Aktionen, sind teilweise aber auch sehr inaktiv, das ist oft lokal sehr unterschiedlich. Das hat durchaus auch mit dem ideologisch und politischen Einfluss der Antideutschen zu tun, der MigrantInnen von antifaschistischen Aktivitäten abhält, ist aber auch Ausdruck politisch-ideologischer Schwäche von linken Organisationen der MigrantInnen, teilweise auch einem rückständiger, kleinbürgerlicher Borniertheit einiger Organisationen.
Vereinzelt gab es auch eigenständige Protestaktionen von Flüchtlingen (Mannheim, Kassel u.a.) z.B. gegen die schlechten Unterkunftsbedingungen. Daraus können sich aber späte auch Anfänge einer Politisierung im Sinne einer Selbstverteidigung gegen faschistische Übergriffe entwickeln.
Die linken Organisationen werden schnell in Auseinandersetzungen mit der Polizei verwickelt, wenn sie sich den Rechten entgegenstellen. Das ist bis zu einem gewissen Grade unvermeidlich. Aber es führt oft auch zusätzlich dazu, die Agitations- und Propagandaarbeit in der Arbeiterklasse und den Zwischenschichten zu vernachlässigen.
So wurden in Kassel 2014/2015 anlässlich der KAGIDA-Aufmärsche (heute PEGIDA Kassel) wochenlang Aktionen und Manöver mit der Polizei durchgeführt, unbemerkt von irgend jemanden, abgesehen von einigen antifaschistisch motivierten Jugendlichen. Vielleicht mutig und auch geeignet, ein paar AktivistInnen zu beeindrucken und dort zu punkten, politisch im Sinne einer antifaschistischen Einheitsfrontpolitik war dieses Verhalten aber total daneben.
Letztlich muss eines klar sein: nur eine organisierte Arbeiterklasse kann wirklich durch Masse und Entschlossenheit jeden faschistischen Spuk beenden.
Jeder Ansatz in die Richtung, stellvertretend für breite Massen eine antifaschistische Einheitsfron vorzutäuschen, ist dagegen Stellvertreterpolitik.
Vermummte Jugendliche mit Sonnenbrillen und sonstigem „coolen Outfit“ werden den Faschismus nicht aufhalten können. An der zentralen Aufgabe, Arbeitermassen, Massen von MigrantInnen und der Jugend in militante antifaschistische Aktionen einzubeziehen, daran geht kein Weg vorbei, alles andere ist eine gefährliche Illusion.
Auf der anderen Seite dürfen wir nicht die reformistischen Organisationen – weder die Mitglieder noch deren Bürokratien – aus den Augen verlieren, sie aus der Verantwortung entlassen. Bei den Bürokraten muss der Schwerpunkt darauf liegen, ihnen klarzumachen, dass faschistische Politik auch sie treffen wird als Organisationsbestandteile der Arbeiterklasse.
Wir können nur jedem anraten, Trotzkis Schrift „Was nun?“ zu studieren, der alle wesentlichen Probleme aufwirft und beantwortet, der aufzeigt, was Einheitsfront gegen den Faschismus ist und welche Fehler gemacht werden. (5)
MigrantInnen sind heute ein wichtiger Teil der Arbeiterklasse und sie bzw. ihre Massenorganisationen müssen eine entscheidende Rolle im Widerstand einnehmen. Ebenso spielt die proletarische Jugend eine wichtige Rolle, wie auch die proletarischen Frauen.
Der Schlüssel zu einem antifaschistischen Massenwiderstand ist, das breite Massen von sozialdemokratischen und anderweitig organisierten ArbeiterInnen und GewerkschafterInnen begreifen, dass der Faschismus auch sie und ihre Organisationen bedroht und dass sie dagegen entschlossenen und militanten Widerstand leisten müssen.
In diesem Sinne müssen wir arbeiten, in diese eben aufgeführten Kräfte müssen wir hineinwirken, dementsprechend auch unsere Organisation aufbauen.

 

Einknicken der „Linken“ und andere Fehler


Teile der ehemals als links eingestuften Bewegung sind schon in diesen rechten Sog geraten und biedern sich mit allerlei Querfront-Ansätzen an. So die Strömung um Elsässer und „Compact“, der inhaltlich auf PEGIDA-Positionen angelangt ist. Elsässer war einer der Väter der „antideutschen Strömung“. Das wird leider kein Einzelfall bleiben, zumal Querfrontstrategien eine Tradition in der deutschen Linken haben.
Die autonome und antideutsche Linke scheint das Proletariat schon abgeschrieben zu haben, sieht sich als allein handelnde Kraft und gibt den Kampf um die Arbeiterklasse auf, bevor sie ihn jemals ernsthaft geführt hat. Das ist eine gefährliche Lage, da sich inzwischen auch teilweise das zahlenmäßige Verhältnis antifaschistischer zu rechten Kräften zu verschieben beginnt.
So konnten in Berlin nur 1500 Menschen gegen einen AfD-Aufmarsch mit 5000 Teilnehmern mobilisiert werden. In Leipzig können 250 rechte Hooligans und Nazis im linken Viertel Connewitz wüten, die antifaschistischen Kräfte lassen sich total überraschen. Die Nazis bekommen offenbar präzise Infos über linke Aktivitäten aus Kreisen der Polizei.
Die Linke begibt sich teilweise angesichts der „Kölner Ereignisse“ in rechtspopulistisches Fahrwasser und fordert Bestrafung von Flüchtlingen. Auch die Position der „Offenen Grenzen“ wird in Frage gestellt. (6)


Ultimatismus


Oft besteht die Antifa-Politik linker Gruppen in abstrakten Aufrufen zum Aufbau von Einheitsfrontstrukturen und Vernetzungen, auf die dann regelmäßig niemand reagiert. Das passiert dann, wenn politische Gruppierungen schlecht in gesellschaftlichen Arbeitsbereichen verankert sind. Auf diese Problematik gehen wir weiter unten ein.

III. Die Kernpunkte unserer Programmatik

Den antifaschistischen Kampf mit dem Kampf um demokratische und soziale Rechte verbinden zusammen mit einer sozialistischen Perspektive, das sind die Kernfragen der Programmatik der RCIT Deutschland. Es kann keinen isolierten antifaschistischen Kampf geben.


Unsere Forderungen


Die Linke wird zunehmend als Teil des herrschenden Systems wahrgenommen. Ein Beispiel dafür ist die Forderung, die Polizei personell aufzustocken. Das ist schlecht, spiegelt aber gleichzeitig die tatsächliche Anpassung und Integration der reformistischen und kleinbürgerlichen Linken an das kapitalistische System und ihre zunehmende Isolation von der breiten Masse der Arbeiterklasse wider.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist es notwendig, dass sich Revolutionärinnen und Revolutionäre auf der Grundlage eines kommunistischen Programms zusammenschließen und innerhalb der ArbeiterInnenbewegung, den Jugend- und Migrantenorganisationen etc. für folgende Kernforderungen eintreten.
* Der Kampf in der gesamte Klasse muss geführt werden einen wesentlich erhöhten Mindestlohn sowie für Arbeit für alle
* Höhere progressive Einkommensteuern für Hochverdiener, Enteignung der Superreichen zur Bewältigung der anstehenden Aufgaben
* Gegen alle Einschränkungen des Organisations- und Streikrechts
* Für eine Verbesserung der Altersversorgung und gegen alle Versuche, bestehende Rechte zu demontieren.
* Für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung und der Altenbetreuung
* Radikale Demokratisierung der Verwaltung und Rechtsprechung: Wahl und Abwählbarkeit des gesamten Verwaltungspersonals durch das Volk! Geschworenengerichte für alle Verbrechen und Vergehen!
* Für den Ausbau der lokalen Selbstverwaltung
* Nein zum Polizei und Überwachungsstaat!
Das heißt insbesondere, dass wir uns um ein Programm demokratischer und sozialer Forderungen gruppieren müssen. Dieses Programm geht aus von den Interessen der breiten Masse der Arbeiterklasse, also ihrer unteren und mittleren Schichten.
Die Kernforderungen für einen antifaschistischen und antirassistischen Widerstand lauten
* Gleiche Rechte für Deutsche und MigrantInnen
* Keine Immigrationskontrollen in imperialistischen Ländern!
* Gleiche Löhne und volle Staatsbürgerrechte für MigrantInnen!
* Gleichheit für die Sprachen von MigrantInnen und nationale Minderheiten im Bildungssektor und in der öffentlichen Verwaltung!
Es muss aber auch klar sein, dass der Kampf für solche Forderungen mit der Perspektive einer klar definierten antiimperialistischen Politik verbunden werden muss. Das bedeutet u.a.
*Solidarität mit der Arabischen Revolution! Nieder mit der Assad-Diktatur! Für das nationale Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes!
*Stoppt die militärische Aggression durch NATO und Russland im Nahen Osten und Nordafrika! *Solidarität mit dem Widerstand gegen die Besatzung!
*Nein zur NATO- und EU-Osterweiterung! Nieder mit der Kriegstreiberei! Nein zu den westlichen Sanktionen gegen Russland ohne deswegen den russischen Imperialismus zu unterstützen!
Darüber hinaus tritt die RCIT Deutschland für folgende politischen und organisatorischen Perspektiven ein:
*Gewinnung von MigrantInnen für die Gewerkschaften, Ausbau ihrer Rolle in den Entscheidungsstrukturen, Beseitigung der privilegierten, zumeist sozial-chauvinistischen Gewerkschaftsbürokratie!
*Für den Aufbau von gemeinsamen Selbstverteidigungsorgane der Arbeiterbewegung und der Migrantenorganisationen!
*Für eine revolutionäre MigrantInnenbewegung!
Das sind nur einige der Grundsätze, auf deren Grundlage wir gegen die AfD und die Kagida/Pegida- Bewegung angehen müssen. Ohne solche klare gesellschaftliche Perspektiven wird der Kampf gegen Faschisten und Rechte jeglicher Art weder in Deutschland noch anderswo erfolgreich sein. Sollten die linken Kräfte nicht selbstkritisch ihre Fehler korrigieren, haben wir ein ernsthaftes Problem.
Konsequenzen ziehen für die antifaschistische Arbeit:
Solche Forderungen hängen aber solange in der Luft, wenn sie nicht an konkrete, kämpferische Schichten gestellt werden. Sonst bleiben sie nur auf dem Papier.
Zum Ersten: Bei den Internationalismus-Tagen der NaO im Februar 2016 wurde einmal mehr klar, dass die radikale Linke ein dickes Problem hat: eine mangelnde Verankerung, eine mangelnde kontinuierliche Arbeit in Betrieben, Gewerkschaften, Ortsteilen, MigrantInnenverbände usw. Das ist eigentlich nichts Neues, aber es gibt auch kaum Neues hinsichtlich der Bewältigung dieser Probleme.
Zum Zweiten geht es darum, wie man Forderungskataloge in einer konkreten Umgebung umsetzt, bezogen auf eine konkrete Zielgruppe, ansetzend an deren Bewusstseinsstand, ohne am Inhalt Abstriche zu machen. In den Diskussionen zum Übergangsprogramm hat Trotzki dies an verschiedenen Beispielen klargemacht, so z.B. an der Frage der Selbstverteidigungsmilizen gegen faschistische Milizen. Der Kontrast zu abgehobenen Vortragen zu komplexen Forderungskatalogen durch „marxistische“ Schulungsreferenten ist erheblich.
Drittens: Wir von der RCIT sind der Auffassung, dass sich die Ausrichtung auf eine Verankerung in bestimmten Bereichen auch in der sozialen Zusammensetzung einer Partei niederschlagen muss. Zumindest brauchen wir diese Zielsetzung, brauchen wir eine Aktivitätsverlagerung in Richtung mittlere und untere proletarische Schichten, auf MigrantInnen, auf Frauen. (7) Das gilt auch im Hinblick auf die Jugend. Das insgesamt als Hauptlinie unserer praktischen Arbeit, für unsere Agitation und große Teile unserer Propaganda.
Dabei sollten wir aus positiven Beispielen lernen und diese Arbeit auswerten und daraus Handlungsvorschläge entwickeln. Damit bereiten wir den Boden, auch komplexere Zusammenhänge vermitteln zu können.
Kämpft mit der RCIT für die Fünfte ArbeiterInnen-Internationale als Weltpartei der sozialistischen Revolution!

Fußnoten:
(1) SPIEGEL: Gauland vs. Petry: Streit um Rechtsaußen Höcke spaltet AfD-Spitze, 20.12.2015, http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-vize-gauland-attackiert-chefin-petry-wegen-hoecke-kritik-a-1068815.html
(2) Almedina Gunic: Köln – Heuchler der Stunde. Über die sexuellen Übergriffe zu Silvester und die drauffolgende Welle an Rassismus und Sexismus, in: Revolutionärer Kommunismus (deutschsprachiger Journal der RCIT), Nr. 15, Februar 2016, http://www.diekommunisten.net/deutschland/k%C3%B6ln-heuchler/
(3) Eine kritische Auseinandersetzung mit der reformistischen Verbotslosung sowie eine Darlegung der anti-faschistischen Strategie findet sich u.a. hier:
Michael Pröbsting: Faschismus – Was ist er und wie bekämpfen wir ihn? Eine Broschüre der RKO BEFREIUNG, Kapitel IV
(4) Zu unserer Kritik an den sogenannten „Antinationalen“ und „Antideutschen“ siehe u.a.:
Michael Pröbsting: „Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant". Über den politischen Charakter der Antinationalen, den Holocaust, den Zionismus, http://www.rkob.net/marxistische-theorie/politischer-charakter-antinationale/
Johannes Wiener: Antinationale: Rassisten im „linken“ Gewand. Was bedeutet Zionismus, ist die Shoah einzigartig und was sind Antinationale? http://www.rkob.net/marxistische-theorie/gegen-antinationale/
(5) Leo Trotzki: Was Nun? Schicksalsfragen des deutschen Proletariats (1932), in: Leo Trotzki: Schriften über Deutschland, Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1971, Band 1, https://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1932/wasnun/index.htm
(6) Siehe z.B. den beschämenden und zutiefst sozial-chauvinistischen Artikel von Michael Schilwa, einem Berliner Mitglied der Neuen Antikapitalistischen Organisation (NAO): Nach dem Schock von Köln – eine hilflose Linke zwischen Ritual und Reflex, 20.01.2016, http://nao-prozess.de/nach-dem-schock-von-koeln-eine-hilflose-linke-zwischen-ritual-und-reflex/. Zwar distanzierte sich die von der GAM dominierte NAO Berlin von Schilwas Artikel, vermied es jedoch, ihn umgehend auszuschließen. (Anti- Rassismus ist nicht verhandelbar, Erklärung des Berliner NaO-Plenums, 01.02.2016, http://nao-prozess.de/anti-rassismus-ist-nicht-verhandelbar/). Zu unserer Kritik des NAO-Projekts und der Orientierung der GAM siehe Manfred Meier: Deutschland: Was kann man aus dem Scheitern der NAO lernen? 14.12.2015, in: Revolutionärer Kommunismus (deutschsprachiger Journal der RCIT), Nr. 16, März 2016, http://www.diekommunisten.net/deutschland/nao-endet/
(7) Zur Strategie für Frauenbefreiung siehe u.a.: Almedina Gunic: Für Frauenbefreiung – gegen Imperialismus! Aufruf zum internationalen Kampftag der Arbeiterfrauen am 8. März 2015, in: Revolutionärer Kommunismus (deutschsprachiger Journal der RCIT), Nr. 16, März 2016, http://www.thecommunists.net/home/deutsch/aufruf-frauentag-2015/; Almedina Gunic: Die Geschichte der Frauenbewegung und ihre Klassendifferenzen, http://www.thecommunists.net/theory/klassenkampf-frauenbewegung/
Zur Analyse und revolutionären Strategie für die Befreiung der MigrantInnen siehe u.a. Michael Pröbsting: Marxismus, Migration und revolutionäre Integration (2010); in: Revolutionärer Kommunismus, Nr. 7, http://www.thecommunists.net/publications/werk-7