Die widersprüchliche Entwicklung des griechischen Kapitalismus, seine gescheiterten Versuche zu einer kleinen imperialistischen Macht zu werden, und seine gegenwärtige Situation als entwickeltes halbkoloniales Land mit einigen spezifischen Merkmalen
Von Michael Pröbsting, Revolutionär-Kommunistische Internationale Tendenz (RCIT), November 2015, www.thecommunists.net (Übersetzung Marek Hangler)
Vorwort der Redaktion: Folgende Thesen sind eine deutsch-sprachige Übersetzung des abschließenden Kapitels VI aus dem zuletzt von Michael Pröbsting erschienenen Buch „Griechenland: Eine moderne Halbkolonie“. Das in englischer Sprache verfasste Buch erschien im November 2015 und umfasst 144 Seiten (inklusive 12 Tabellen, 35 Graphiken und 4 Karten). Es kann auf der Homepage der RCIT runtergeladen werden: http://www.thecommunists.net/theory/greece-semi-colony/
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Am Ende dieses Buches fassen wir die wichtigsten Schlussfolgerungen in Form einiger Thesen zusammen.
1. Die Herausbildung von Monopolen und Großmächten führte zunehmend zur Einteilung der ganzen Welt in verschiedene Einflusssphären für die rivalisierenden imperialistischen Staaten und zur Unterwerfung der meisten Länder unter diese wenigen Großmächte. Daraus folgt ein wesentliches Merkmal von Lenins (und Trotzkis) Analyse des Imperialismus: die Charakterisierung der Beziehung zwischen den imperialistischen Staaten und der großen Mehrheit der Menschen, die in den kapitalistisch weniger entwickelten Ländern leben, als eine Beziehung von Unterdrückung und Überausbeutung.
2. Die Beziehung zwischen den Staaten muss in ihrer Gesamtheit – also auf wirtschaftlicher, politischer und militärischer Ebene – betrachtet werden. So darf ein bestimmter Staat nicht nur als separate Einheit betrachtet werden, sondern in erster Linie in seinem Verhältnis zu anderen Staaten und Nationen. Ein imperialistischer Staat tritt in der Regel in eine Beziehung mit anderen Staaten und Nationen, die er in dieser oder jener Form unterdrückt und überausbeutet – das heißt, er eignet sich einen Teil des von ihnen produzierten kapitalistischen Wertes an. Auch dies muss in seiner Gesamtheit betrachtet werden, das heißt, wenn ein Staat gewisse Profite aus seinen eigenen (in anderen Ländern getätigten) Auslandsinvestitionen gewinnt, aber viel mehr für Auslandsinvestitionen, Krediten usw. an andere Länder zu zahlen hat (Schuldendienst, Gewinnrückführung, etc.), kann dieser Staat in der Regel nicht als imperialistisch eingestuft werden.
3. Zusammengefasst definieren wir einen imperialistischen Staat wie folgt: Ein imperialistischer Staat ist ein kapitalistischer Staat, dessen Monopole und Staatsapparat eine Position in der Weltordnung haben, wo sie in erster Linie andere Staaten und Nationen dominieren. Daraus ergibt sich, dass sie Extraprofite und andere wirtschaftliche, politische und/oder militärische Vorteile aus solchen auf Überausbeutung und Unterdrückung basierend Beziehungen erzielen.
4. Ebenso muss man auch zwischen verschiedenen Arten von Halbkolonien unterscheiden. Offensichtlich gibt es heute große Unterschiede zwischen Peru und Argentinien oder Brasilien, Kongo und Ägypten, Pakistan und der Türkei, Nepal und Thailand, Kasachstan und Polen. Einige Länder sind industrialisierter als andere, einige haben einen gewissen politischen Spielraum errungen und andere nicht. Daher können wir zwischen entwickelten oder industrialisierten Halbkolonien wie zum Beispiel Argentinien, Brasilien, Ägypten, Türkei, Iran, Polen oder Thailand einerseits und den ärmeren oder halb-industrialisierten Halbkolonien wie Bolivien, Peru, die afrikanischen Länder der Subsahara (mit Ausnahme von Südafrika), Pakistan, Afghanistan, Indonesien usw. unterscheiden.
5. Um unsere Charakterisierung von Halbkolonien zusammenzufassen schlagen wir die folgende Definition vor: Ein halbkoloniales Land ist ein kapitalistischer Staat, dessen Wirtschaft und Staatsapparat eine Position in der Weltordnung haben, wo sie in erster Linie von anderen Staaten und Nationen dominiert werden. Daraus ergibt sich, dass die imperialistischen Monopole und Staaten über diese auf Überausbeutung und Unterdrückung basierende Beziehung von den Halbkolonien Extra-Profite sowie weitere wirtschaftliche, politische und/oder militärische Vorteile herauspressen.
6. Die Analyse und die Aufteilung der Länder in verschiedene Typen dürfen nicht auf eine dogmatische, mechanistische Weise, sondern marxistisch, das heißt dialektischen verstanden werden. Daher wäre es falsch, sich eine undurchdringliche chinesische Mauer zwischen den beiden Arten von Ländern – imperialistische und halbkoloniale Staaten – vorzustellen. Wie wir bereits mehrfach ausgeführt haben gab es mehrere Beispiele wo, unter besonderen Ausnahmebedingungen, aus sich ein abhängiges Land in einen imperialistischen Staat verwandelte oder umgekehrt.
7. Wir lehnen die Theorie des "Sub-Imperialismus" ab. Sie ist nicht Teil des Arsenals der marxistischen Analyse ab. Im Kapitalismus kann sich keine Nation der Herausbildung immer engerer wirtschaftlicher und politischer Beziehungen mit den herrschenden imperialistischen Mächten entziehen. Solch enge Beziehungen erzeugen, ändern und reproduzieren unausweichlich Mechanismen der Ausbeutung und Überausbeutung. Mit anderen Worten, im Kapitalismus - und noch mehr unter dem Imperialismus - werden alle Nationen in den Prozess der Überausbeutung hineingezogen. Entweder sind sie stark genug und werden Teil der unterdrückenden Nationen, oder sie werden in das Lager der großen Mehrheit der Menschheit geschoben - der unterdrückten Völker. Es gibt kein "drittes Lager" dazwischen.
8. Wir können die erste Periode der Existenz Griechenlands als unabhängiger Staat seit dem Krieg 1821-1829 wie folgt zusammenfassen: Der griechische Kampf um nationale Unabhängigkeit war sehr fortschrittlich. Allerdings endete er mit einer teilweisen Unabhängigkeit für nur einen kleinen Teil des griechischen Volkes. Von Anfang an war der neu geborene griechische Staat politisch und wirtschaftlich stark abhängig von den Großmächten Großbritannien, Frankreich und Russland. Die Großmächte zwangen dem griechischen Volk eine von ausländischen Königen geführte Monarchie auf. Das hohe Schuldenniveau des Landes führte zum Staatsbankrott und eine Internationale Finanzkommission übernahm die griechischen Finanzen in den 1890er Jahren. Darüber hinaus wurde die griechische Bourgeoisie von Händlern dominiert, die kein Gewicht auf die Entwicklung einer heimischen Industrie legte.
9. Daher blieb das Land unterentwickelt: die Wirtschaft war von kleinbäuerlicher Agrarproduktion und Handel geprägt und von wenigen oligarchischen Familien beherrscht, die eng mit den Großmächten verbunden waren; das politische System war von einem monströsen Staatsapparat mit einer morschen Monarchie an ihrer Spitze geprägt.
10. Die Venizelos-Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewährleistete eine gewisse Modernisierung, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Ebenso konnte Griechenland schrittweise sein Territorium vergrößern. Aber Griechenland blieb in seiner Abhängigkeit von den Großmächten und ausländischem Kapital gefangen. Und Venizelos' Abenteuer, seine Armee als Fußsoldaten für den britischen Imperialismus gegen die Sowjetunion und die Türkei anzubieten, führten 1922/23 in eine nationale Katastrophe. Die Niederlage gegen die Türkei verursachte einen Zufluss von über eineinhalb Millionen griechischen Flüchtlingen und der Staat hatte mehr Schulden als je zuvor.
11. Der griechische Staat befreite das griechische Volk nicht nur davon unter ausländischer Herrschaft zu leben, er fungierte ab 1913 auch als nationaler Unterdrücker. Dies betraf insbesondere das slawisch-mazedonische Volk sowie die muslimischen Minderheiten in West-Thrakien. Die slawischen Mazedonier, die in der von Griechenland annektierten Region lebten, wurden in ihren nationalen Rechten stark unterdrückt. Die meisten von ihnen wurden aus ihrer Heimat vertrieben und in mehreren Wellen zwischen 1913 und dem Ende des Bürgerkriegs im Jahr 1949 aus Griechenland verjagt.
12. Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen endete mit den schwarzen Jahren der Metaxas-Diktatur und der Besetzung durch den deutschen Imperialismus. In diesen Jahren erlebte Griechenland verheerende Zerstörungen, Vermögensraub durch die Nazis in großem Maßstab und den Verlust vieler Menschenleben. Es folgten die Jahre des Bürgerkriegs von 1945 bis 1949, als die griechischen Arbeiter und armen Bauern die britische Besatzung und die Machtergreifung der diskreditierten reaktionären Monarchie und Militärkamarilla bekämpften. Die fortschrittlichen Kräfte verloren durch den Verrat der stalinistischen Führung, und diese Niederlage trug zur totalen Erschöpfung des Landes bei.
13. Nach dem Ende des Bürgerkriegs erlebte Griechenland einen Prozess der Modernisierung und Industrialisierung bis in die 1970er Jahre. Zum ersten Mal entstand eine beachtliche heimische Industrie. Die griechischen Reeder tätigten einige Investitionen in die griechische Industrie. Allerdings blieb Griechenland wirtschaftlich und politisch vom westlichen Imperialismus abhängig. Die Wirtschaft war nach wie vor von Kleinunternehmen beherrscht; ausländische Monopole spielten eine entscheidende Rolle unter den Großunternehmen und ein erheblicher Teil der öffentlichen Ausgaben wurde durch ausländische Kredite finanziert. Griechenland war von Anfang an ein Mitglied der NATO und sein Regime, insbesondere seine Armee, waren Handlanger des US-Imperialismus.
14. Die wichtige Gruppe der griechischen Reeder ist ein spezifischer, einzigartiger Sektor der griechischen Bourgeoisie. In den vergangenen Jahrhunderten spielte sie eine zentrale Rolle in der internationalen Schifffahrt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war sie die dominierende Kraft in dieser globalen Branche geworden. Historisch gesehen sind die griechischen Reeder eine kosmopolitische Schicht gewesen, die oft im Ausland lebte – im 20. Jahrhundert war dies vor allem in New York und London. Dies änderte sich bis zu einem gewissen Grad mit den 1970ern und griechische Reeder haben wichtige Bereiche ihres Geschäftes nach Griechenland verlagert. Dieses spezifische sozio-ökonomische Wesen der griechischen Reeder hatte und hat mehrere wichtige Konsequenzen. Zuerst einmal machte sie dies zu einer Halb-Diasporabourgeoisie und damit nur bis zu einem gewissen Grad (oder in einer besonderen Art und Weise) Teil der nationalen herrschenden Klasse. Zweitens sind die griechischen Reeder eine handel-betreibende und nicht eine produzierende Klasse. Griechenland hat für eine lange Zeit keine nennenswerte Rolle im Schiffsbau gespielt und produzierte auch in den letzten zehn Jahren kaum Schiffe. Drittens waren griechische Reeder schon immer stark von ausländischen Krediten abhängig. In den 2000er Jahren stammten 4/5 ihrer Kredite von ausländischen Banken. Viertens sind, der Natur des Seehandels entsprechend, griechische Reeder immer abhängig von den Großmächten gewesen, denn nur diese können der Schifffahrt die militärische Absicherung gewähren. Aus all diesen Gründen waren auch die griechischen Reeder - der wirtschaftlich stärkste Sektor der griechischen Bourgeoisie – schon immer eng verbunden mit und in Abhängigkeit von der imperialistischen Bourgeoisie der Großmächte (vor allem Großbritannien und den USA, aber in letzter Zeit auch zunehmend von China). Die griechische Bourgeoisie als Ganzes hat einen besonders starken Kompradoren-Charakter, das heißt, sie vermeidet jede Konfrontation mit dem Imperialismus und dient den Großmächten als lokale Handlanger.
15. Nach dem Zusammenbruch des Stalinismus im Jahr 1989 auf dem Balkan, ergriff das griechische Kapital nach einer gewissen Verzögerung die Gelegenheiten, die sich durch die kapitalistische Restauration ergaben. Es wurde zu einem wichtigen Investor in Albanien, Mazedonien, Serbien, Bulgarien und Rumänien und schaffte es erhebliche Extra-Profite zu gewinnen. Doch die Auslandsinvestitionen Griechenlands in andere Länder blieben viel kleiner als die ausländischen Investitionen in Griechenland. Mit dem Beginn der Krise im Jahr 2008 verringerten sich die griechischen Auslandsinvestitionen deutlich.
16. Ebenso ist es dem griechischen Kapitalismus gelungen, eine bedeutende Schicht an Migranten (etwa eine Million Menschen) ins Land zu holen, die den Bossen als überausgebeutete, untere Schicht der Arbeiterklasse dient. Diese Schicht wurde durch die jüngste Krise nicht verkleinert und das wird auch aller Wahrscheinlichkeit so bleiben, weil die Kriege und Katastrophen im Nahen Osten es fast garantieren, dass es viele weitere Flüchtlinge geben wird.
17. Zur gleichen Zeit ist Griechenland traditionell ein Land, aus dem viele Migranten stammen. Heute wohnen immer noch mehrere Millionen Griechen im Ausland und die Überweisungen, die sie zu ihren Familien schicken, bilden einen beträchtlichen Teil des griechischen Nationaleinkommens. (1970: 4% 2001: 2,5%)
18. Es ist wichtig, die Entwicklung eines Landes historisch zu bewerten. Seitdem die Unabhängigkeit erreicht wurde, war Griechenland immer ein abhängiges, halbkolonialen Land, wenn auch mit spezifischen Eigenschaften (den griechischen Reedern als wirtschaftlich mächtige Halb-Diasporabourgeoisie). In den 1990er Jahren und bis zum Jahr 2008 machte sie einige Fortschritte darin eine kleine imperialistische Macht zu werden, durch den Export von Kapital in einige südliche Balkanländer und die Aufnahme von riesigen Schichten von Migranten. Aber im gleichen Zeitraum wurden diese Entwicklungen in beträchtlichem Ausmaß durch Griechenlands zunehmende Abhängigkeit von den Großmächten überschattet. Darüber hinaus erreichten die Auslandsschulden des Landes massive Ausmaße. Außerdem wurde und wird weiterhin die Volkswirtschaft zunehmend an ausländische Monopole ausverkauft.
19. Die Krise, die im Jahr 2008 ausbrach, lieferte einen historischen Test für den Klassencharakter von Griechenland. Solche Tests sind immer entscheidend um mögliche Veränderungen im Klassencharakter eines Landes wahrzunehmen. Die Entwicklungen in Griechenland in den letzten 7 Jahren haben ohne Zweifel gezeigt, dass das Land nicht stark genug war um der kompletten Unterwerfung durch die EU zu widerstehen. Griechenland wurde gezwungen, seine Wirtschaft und sogar Teile seines Territoriums (mehrere Inseln) für den Verkauf an ausländische Investoren herzugeben. Es wurde sogar von der EU-Troika offiziell seiner Hoheitsrechte beraubt, seine eigenen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen zu treffen.
20. Kurz gesagt, Griechenlands imperialistische Vorstöße in den 1990er Jahren und bis zum Jahr 2008 kamen zu gering und zu spät. Daher wiederholen wir, dass Griechenland ein halbkoloniales Land war und ist, welches vom ausländischen imperialistischen Monopolkapital dominiert wird und abhängig ist.
21. Die RCIT lehnt die Position der stalinistischen KKE ab, die nach ihrer jüngsten Kehrtwende behauptet, dass Griechenland jetzt ein normales imperialistisches Land sei. Wie allgemein bekannt ist, waren die griechischen Stalinisten in ihrer ganzen Geschichte bis vor ein paar Jahren "linke" Patrioten, die ihr Land als eine Kolonie des US- und EU-Imperialismus betrachteten. Sie passten sich an den griechischen Chauvinismus an. Die Kehrtwende der KKE in dieser Frage wurde nicht durch neue Erkenntnisse motiviert, sondern durch die bürokratische Notwendigkeit, ihre Ablehnung jeglicher Einheitsfronttaktik gegenüber SYRIZA zu rechtfertigen (deren Ideologen die These von Griechenland als abhängige Land traditionell gemeinsam hatten). Ebenso lehnen wir ganz klar die Position der KKE früher und der LAE und anderer heute ab, die auf der Grundlage einer richtigen Einschätzung der griechischen Abhängigkeit und Unterwerfung durch den Imperialismus, die Strategie der Volksfront vorschlagen – also die Orientierung auf eine Klassenzusammenarbeit mit einem "nationalen" oder "einheimischen" Sektor der griechischen Bourgeoisie. Eine solche Ausrichtung ist grundsätzlich falsch und besonders in einem Land wie Griechenland absurd, deren Bourgeoisie als Ganzes einen stark kosmopolitischen Charakter hat und die während ihrer gesamten Geschichte als lokaler Handlanger des Imperialismus diente.
22. Die Arbeiterklasse, durch die vielen Migranten multinational in der Zusammensetzung, muss unabhängig gegen die imperialistischen Herrscher über Griechenland, einschließlich ihrer Lakaien – der griechischen Bourgeoisie – kämpfen. Sie muss versuchen, die städtischen Armen und Kleinbürger, sowie die arme Bauernschaft im Kampf um demokratische und antikapitalistische Forderungen zu sammeln. Außerdem muss die Arbeiterklasse danach streben mit ihren Klassenbrüdern und -schwestern der Region in ihrem Kampf zu einer Einheit zu werden – das heißt, mit den europäischen ArbeiterInnen und Armen sowie auch jene im Nahen Osten. Letztere können eine besonders dynamische Rolle spielen, angesichts der jüngsten Erfahrungen der im Dezember 2010 begonnen Arabischen Revolution.
23. Ein revolutionäres Programm für Griechenland muss die Losung des Austritts des Landes aus der EU beinhalten. Griechenland war schon immer ein abhängiges und unterworfenes Land in der EU und durch das Wesen der von Deutschland und Frankreich dominierten EU wird dieser Zustand institutionalisiert. Irgendeine wesentliche Änderung in der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist nicht möglich, solange das Land innerhalb der imperialistischen EU verbleibt.
24. Natürlich stellt die Losung für Griechenlands Austritt aus der EU kein eigenständiges Programm dar, sondern ist nur eine Taktik als Teil einer umfassenderen Strategie – die Strategie für eine echte Arbeiterregierung die die Enteignung der imperialistischen und nationalen Bourgeoisie anstrebt und den Weg zum Sozialismus eröffnet. Die RCIT lehnt das national-reformistische Programm à la Costas Lapavitsas und der LAE-Führung ab. Der national-kapitalistische Weg ist eine illusionäre Sackgasse. Die Losung für Griechenlands EU-Austritt muss im Zusammenhang mit Losungen für die Enteignung der Monopolkapitalisten in Griechenland aufgestellt werden, damit diese ein unabhängiges Griechenland nicht wirtschaftlich sabotieren können. Ebenso muss diese Losung mit der Perspektive des internationalen Klassenkampfes mit der europäischen und arabischen Arbeiterklasse kombiniert werden. Der Kampf für ein unabhängiges und sozialistisches Griechenland muss Teil des Kampfes für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa sein.
25. Der Kampf gegen die Unterwerfung Griechenlands durch die imperialistische EU darf Sozialisten nicht davon ablenken, alle Formen des reaktionären griechischen Chauvinismus abzulehnen. Solcher Chauvinismus manifestiert sich vor allem auf zwei Arten. Zunächst in der nationalen Unterdrückung und Überausbeutung von ungefähr einer Million Migranten in Griechenland. Sozialistinnen und Sozialisten in Griechenland müssen für die volle Gleichberechtigung von Migranten kämpfen. Dazu gehören gleicher Lohn für gleiche Arbeit, voller Zugang zu Sozialleistungen, das Wahlrecht sowie die Anerkennung ihrer Muttersprache als gleichberechtigt in Bildung, öffentlicher Verwaltung usw. Ebenso sollten Sozialistinnen und Sozialisten für offene Grenzen und für internationale Solidarität mit den Flüchtlingen kämpfen, die nach Europa kommen. Zugleich sind Sozialisten gegen die Benachteiligung von griechischen Arbeitern im Ausland.
26. Griechische Sozialisten müssen sich auch dem reaktionären griechischen Chauvinismus gegen die slawischen Mazedonier sowie gegen die muslimische Minderheit in West-Thrakien widersetzen. Sozialisten lehnen den reaktionären chauvinistischen Mythos ab, nach dem angebliche eine historische Grundlagen für die Behauptung existiert, Mazedonien gehöre zu Griechenland. In Wirklichkeit hatte Ägäis-Mazedonien eine nicht-griechische Mehrheit, als es von Griechenland im Jahr 1913 annektiert wurde. Es wurde erst dann zu einer überwiegend griechisch besiedelte Region, nachdem die folgenden Regierungen systematisch den Großteil der einheimischen Bevölkerung vertrieben und stattdessen Griechen ansiedelten (viele von ihnen waren selbst Flüchtlinge aus Kleinasien). Es stimmt, heute wäre es natürlich reaktionär für die Vertreibung der Griechen zu sein, die seit Generationen in Ägäis-Mazedonien ihren Wohnsitz haben. Das historische Verbrechen der Vertreibung der mazedonischen Bevölkerung aus Ägäis-Mazedonien kann nicht rückgängig gemacht werden. Allerdings sollten Sozialisten für Autonomie und lokale Selbstverwaltung in den Regionen und Gebieten mit einer nennenswerten mazedonischen Bevölkerung kämpfen, sowie für das Recht auf nationale Selbstbestimmung für die verbleibende Minderheit der slawischen Mazedonier (einschließlich ihres Rechts auf Abspaltung). Der Kampf für die Rechte der mazedonischen Minderheit muss eine Reihe von wesentlichen Forderungen umfassen. In erster Linie müssen Sozialistinnen und Sozialisten die Forderung der Mazedonier nach Anerkennung als nationale Minderheit unterstützen. Sie müssen zur vollen Gleichberechtigung aufrufen, das umfasst die bedingungslose Unterstützung ihrer Forderung ihre Sprache in Bildung sowie öffentlicher Verwaltung zu verwenden, ihre mazedonisch-sprachigen Namen zu verwenden, wenn sie dies wünschen, ihre Religion sowie im allgemeinen ihre Kultur in ihrer Muttersprache auszuüben, gleichberechtigten Zugang zu den Medien zu haben (in ihrer Muttersprache, wenn sie dies wünschen), etc. Darüber hinaus sollten Sozialisten von der griechischen Regierung eine angemessene Entschädigung an die Nachkommen der vertriebenen slawisch-mazedonischen Familien zahlen, von denen heute die meisten in der Republik Mazedonien und Bulgarien leben. Außerdem müssen griechische Sozialisten die offizielle Anerkennung der Republik Mazedonien mit ihrem eigenen Namen (anstelle eines solch lächerlichen Namens wie F.Y.R.O.M.) fordern. Ebenso sollten Sozialisten für volle demokratische Rechte für die muslimische Minderheit, die in West-Thrakien lebt, kämpfen.
27. Der Kampf für ein solches Programm als auch für ihre Anwendung in Einzelfragen ist hoffnungslos, wenn er nicht von einer organisierten Kraft authentischer Marxistinnen und Marxisten vorgenommen wird. Deshalb erachtet die RCIT die Bildung einer revolutionären Partei als die wichtigste Aufgabe im Kampf gegen die imperialistische Unterdrückung Griechenlands sowie für die Befreiung der Arbeiterklasse und der Unterdrückten.
28. Eine solche Partei kann nicht künstlich gegründet werden; sie entsteht im Klassenkampf der vor uns liegt. Es ist jedoch dringend nötig so schnell wie möglich eine revolutionäre Parteiaufbauorganisation zu schaffen, die Aktivisten auf der Basis eines authentischen marxistischen Programms vereint und für die Bildung einer solchen Partei kämpft. Die RCIT hofft darauf mit griechischen Revolutionärinnen und Revolutionären zusammenzuarbeiten und sie beim Erreichen dieses Zieles zu unterstützen!