Die Inflation ist kein Gespenst, sondern harte kapitalistische Realität

 

 

2022: Eine schlimme Verschärfung der sozialen Lage für breite Bevölkerungsschichten

 

Artikel von Manfred Meier, RCIT Deutschland, 30. Juni 2022, www.diekommunisten.net

 

 

 

Selbst wenn wir uns geringe Lohnerhöhungen erkämpfen, werden diese meist durch die Preissteigerungen (Inflation) wieder zunichte gemacht. Dabei spielen die Spekulationen des Monopolkapitals an den Finanzmärkten eine große Rolle“ (1)

 

Die aktuelle Inflationsrate liegt bei offiziell 7,9 Prozent Anfang Juni 22. Dabei sind die Preissteigerungen bei Gütern des täglichen Bedarfs am höchsten. Wer täglich mit dem PKW zur Arbeit muss, braucht bei 50 Km Fahrstrecke täglich etwa 80 Euro mehr als zu Jahresbeginn.

 

Auf die Arbeitenden, Rentner usw. kommen gewaltige Energiekostenabrechnungen zu, egal ob mit Gas oder Heizöl geheizt wird, auch die Rechnung für elektrischen Strom wird sich verdoppeln. Das kommt noch drauf auf seit Jahren steigende Mieten, inzwischen nicht nur in den Großstädten.

 

Die Energiepreise sind laut Statistischen Bundesamt mit 38,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat merklich angestiegen, sie beeinflussen die hohe Inflationsrate erheblich. Bald werden die Stadtwerke und andere Versorgungsbetriebe die Abschlagszahlungen heraufsetzen, die Jahresabrechnungen werden sich um ein Vielfaches erhöhen.

 

Auch wird schon über eine Triage bei der Energieversorgung diskutiert: Frieren zu Hause oder Produktionsstop und Entlassungen. Auch die Preise für Lebensmittel stiegen demnach mit 11,1 Prozent (offizielle Statistik) überdurchschnittlich. Für die wesentlichen Produkte legen wir aber 20-30 Prozent mehr hin. Inzwischen droht auch eine Erhöhung der Zusatzbeiträge der Krankenkassen um 0,3 Prozent. Im Landkreis Gießen ist schon die Warmwassererzeugung in den Sporthallen abgestellt worden, Schüler und Sportler müssen kalt duschen.

 

Es ist also wenig überraschend, dass 16 % der deutschen Bevölkerung als arm gelten, mit stark steigender Tendenz!

 

 

 

Das Scholz-Rezept: Korporatismus in Kriegszeiten

 

 

 

Die Rot-Grün-Gelbe Regierung will der Inflation mit einer Neuauflage der „Konzertierten Aktion“ begegnen. Kanzler Scholz will sich im Dialog mit den Sozialpartnern um ein abgestimmtes Vorgehen von Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften in Sachen Inflationsbekämpfung bemühen. Es gehe ihm darum, eine Verfestigung hoher Teuerungsraten und Inflationserwartungen zu verhindern.

 

Neben Regierung und Unternehmen komme dabei auch den Gewerkschaften und ihrer Lohnpolitik eine wichtige Rolle zu: Scholz spricht sich für Tarifabschlüsse mit Einmalzahlungen aus anstelle dauerhaft wirkender starker Lohnerhöhungen – diese Zahlungen federten akute Preisschübe ab, ohne gleich selbst als Preistreiber zu wirken.

 

Für die Einmalzahlung spreche, dass sie schnell bei den Bürgern ankomme und Mitarbeiter mit geringen und mittleren Löhnen am stärksten profitierten. Da aber nur noch 43 Prozent der Beschäftigten nach Tarifvertrag bezahlt würden, brauche es noch gesonderte Lösungen für Arbeitnehmer ohne Tarifbindung und Rentner mit geringer Rente.“ (2)

 

Die Steuerermäßigung für Superbenzin um 30 Cent ist verpufft bzw. in der Tasche der Mineralölkonzerne geblieben. Sie ist eh auf 3 Monate befristet. Das 9-Euro-Ticket für drei Monate hat zu proppevollen Regionalzügen geführt und eher gezeigt, wie ausbaubedürftig der Öffentliche Nahverkehr ist. Und die Heizkostenpauschale für „Einkommenssteuerpflichtige“ lässt Rentner, Studenten usw. außen vor.

 

Scholz wies auf die lange Tradition der Zusammenarbeit zwischen staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren in Deutschland hin. „Diese gemeinsame Anstrengung sei heute wichtiger denn je angesichts der „Zeitenwende“, die mit dem russischen Angriff auf die Ukraine und mit den vielen anderen Herausforderungen für Deutschland und die Welt verbunden seien.“

 

Es gehe darum, dass die Bundesrepublik zugleich wettbewerbsfähig bleibe, Treibhausgas neutral werde und die digitale Transformation bewältige. „Es ist eine feste Überzeugung der Bundesregierung, dass wir das nur gemeinsam schaffen und erreichen können, wenn wir uns unterhaken und gemeinsam arbeiten“, so Scholz.“ (3)

 

 

 

Druck im Kessel

 

 

 

Einige Gewerkschaftsführer würden ja gern „unterhaken“ und kooperieren. Aber so einfach ist das nichts angesichts des Drucks der Basis angesichts der Preissteigerungen. Die IG Metall, Deutschlands größte Gewerkschaft, startete eine Kampagne mit Unterschriftensammlung. Man wolle den „Druck auf die Bundesregierung“ erhöhen, verkündete der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann. „Einige wenige bereichern sich an der Krise, während ein großer Teil der Bevölkerung die Zeche zahlt: Dem gehört ein Ende bereitet.“

 

Die IG Metall bereitet ihre Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie vor, in der sie für vier Millionen Beschäftigte spürbare, dauerhafte Tariferhöhungen durchsetzen will. Am 20. Juni hat sie erste Beschlüsse zur Höhe der Lohnforderung gefasst, 7 bis 8 Prozent mehr Geld. Im September beginnen die Verhandlungen.

 

Wir beweisen wiederholt Vernunft und Verantwortung. Die Beschäftigten haben nach vier Jahren wieder eine ordentliche Erhöhung ihrer Entgelttabellen verdient“, betont Hofmann. Zusätzlich fordert er weitere Entlastungen für die Beschäftigten von der Politik. „Darüber hinaus ist es Aufgabe der Politik, dass sie zugleich beim gewaltigen Problem der Preisanstiege steuernd eingreift. Wir können die aktuellen Teuerungsraten nicht allein über Tarifpolitik ausgleichen.“ (4)

 

 

 

Widerstand breitet sich aus

 

 

 

Die Stahlarbeiter haben mit ihrer Forderung nach 8,2 % ein Zeichen gesetzt. Die IGM hat in der Stahlindustrie eine Lohnerhöhung von 6,5 Prozent plus eine Einmalzahlung von 6% durchgesetzt. Die IGBE hat gegen eine Sonderzahlung von 1400,--Euro ihre Tarifverhandlungen ausgesetzt.

 

Bei den Tarifrunden in diesem Jahr gab es durchschnittlich 5% Lohnsteigerungen. In diesen Wert fließen aber viele berufsgruppenspezifische Sonderzahlungen ein – ohne diese liegt der Durchschnitt der Lohnsteigerungen unter einem Prozent.

 

Tauende Hafenarbeiter traten am 9.6. in Hamburg, Emden, Bremen, Bremerhaven und Wilhelmshaven in den Streik – für einen tatsächlichen Inflationsausgleich. Am 24.6. zogen Tausende Hafenarbeiter für ihre Forderungen durch die Straßen. Die Kapitalistenverbände und die bürgerliche Presse toben und hetzen.

 

Was fordert Verdi vom Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) für 58 Tarif-Betriebe? 1,20 Euro mehr pro Stunde plus Inflationsausgleich (fast acht Prozent). Pauschal-Zuschlag für Container-Beschäftigte von 3338 rauf auf 4538 Euro. Der ZDS nennt sein Angebot „fair“, bietet bis zu sieben Prozent mehr Lohn in zwei Schritten (bis 2023), einmal 600 und 200 Euro mehr Zulage. Am Freitag startete dann die dritte Tarifrunde in Hamburg, gefordert werden 8-9 Prozent, diese Woche ein 24-Std. Warnstreik in 6 Häfen.

 

Um noch einige weitere Arbeitskämpfe zu nennen:

 

Fedex: 1000 Beschäftigte streiken für bessere Arbeitsbedingungen, ebenso bei TNT.

 

verdi: 20000 streiken für Lohnerhöhungen für Bodenpersonal, 9,5 Prozent Mindestens 350 Euro.

 

Buderus Bosch 900 Jobs bei einem Tochterunternehmen in Lollar (Gießen), Warnstreiks.

 

Uniklinikum Marburg-Gießen: Streiks gegen Arbeitsplatzverluste am 24.6.22. Die privaten Röhn-Kliniken hatten den Vertrag mit dem Land Hessen gekündigt (wonach sie kei n Personal entlassen dürfen, solange sie Geld vom Land Hessen bekommen).

 

Saarlouis: Demo und Proteste gegen Arbeitsplatzverluste ab 2025, keine E-Auto-Produktion, wird an Valencia vergeben, weil die Löhne niedriger dort niedriger sind.

 

Offensichtlich kommt es zu einer verstärkten Widerstandswelle aus der Arbeiterschaft. Die macht mächtig Druck auf die Gewerkschaftsführungen Und schließlich erinnern sich einige Gewerkschaftsführer, dass die Konzertierte Aktion in den „wilden Streiks“ von 1969 und 1973 unterging.

 

Finanzminister Lindner (FDP) verkündet 4 oder 5 harte Jahre, keine Steuererhöhungen für Reiche und die Monopolkonzerne. Der Staat könne ja nicht jede soziale Härte ausgleichen.

 

 

 

Wir müssen folgende Forderungen diskutieren und Widerstand organisieren

 

 

 

Kampf der Inflation!

 

Für eine automatische Anpassung der Löhne sowie aller Sozialleistungen und Renten an die Preissteigerungen.

 

Für die Kontrolle der Preise durch Preisüberwachungskomitees, die von den Beschäftigten, den Hausfrauen bzw. -männern sowie den VerbraucherInnen gewählt werden. Als Basis dafür soll ein Lebenshaltungskostenindex dienen, der von den VertreterInnen der ArbeiterInnenklasse sowie der Bauern und der kleinen HändlerInnen bestimmt wird. (5)

 

Auf dem Gebiet der Steuerpolitik fordern wir:

 

Maximale Besteuerung von Reichen und Superreichen.

 

Maximale Besteuerung von Monopolkonzernen.

 

Streichung der Verbrauchssteuern wie Umsatz/Mehrwertsteuern.

 

Ferner fordern wir ein Verbot weiterer Mieterhöhungen. Niemand darf seine Wohnung verlieren, weil er/sie die horrenden Energiekosten nicht mehr bezahlen kann. Niemanden darf Heizung oder Strom abgedreht werden.

 

 

 

Fußnoten

 

(1) Das revolutionär-Kommunistische Manifest, Seite 42, https://www.thecommunists.net/home/deutsch/revolution%C3%A4r-kommunistisches-manifest/

 

(2) https://www.tagesschau.de/inland/einmalzahlung-steuer-arbeitgeber-101.html

 

(3) https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ig-metall-olaf-scholz-sollte-aus-lohnerhoehung-konsequenzen-ziehen-18104875.html

 

(4) https://www.igmetall.de/tarif/tarifrunden/metall-und-elektro/ig-metall-vorstand-empfiehlt-forderung-2022

 

(5) Das revolutionär-Kommunistische Manifest, Seite 43, https://www.thecommunists.net/home/deutsch/revolution%C3%A4r-kommunistisches-manifest/