FEMEN-Aktivismus? Nein, danke!

 

Diese Gruppe hat nichts mit wirklicher Frauenbefreiung zu tun

 

Artikel von Almedina Gunić, Revolutionär-Kommunistische Organisation BEFREIUNG, 08.12.2016, www.rkob.net

 

Es gibt Dutzende gute Gründe, warum selbst eingefleischte Feministinnen ihre Probleme mit FEMEN haben. Der Kampf um die volle Gleichberechtigung von uns Frauen wird in der Öffentlichkeit in der Regel mit Feminismus verbunden. Viele Frauen (und auch Männer), die sich als FeministInnen bezeichnen, meinen damit: Ich bin gegen jede Form von Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen.

 

Um das daher von Anfang an klar zu machen: Feminismus ist in seiner Geschichte und Gegenwart im Gegensatz zum allgemein verbreiteten Verständnis dieser Bewegung nicht das Instrument, das zum Ziel der Frauenbefreiung führt. FeministInnen verwischen letztlich immer die Klassenlinie, die sich auch durch das weibliche Geschlecht zieht. Es gibt die herrschende Klasse (Bürgertum bzw. Bourgeoisie), das Kleinbürgertum, die ArbeiterInnenklasse. Frauenbefreiung kann letztlich nur von der ArbeiterInnenklasse zusammen mit den Armen von Stadt und Land erkämpft werden. Der Feminismus dagegen entspringt den Wünschen und Bedürfnisse der zwei anderen Klassen: Dem Bürgertum oder den Kleinbürgertum. Und diese zielen letztlich auf eine „Zusammenarbeit“ dieser Klassen aus, die die Zerschlagung des Systems der herrschenden Klasse, des Kapitalismus, vereitelt.

 

Wir sind als konsequente Kämpferinnen und Kämpfer gegen Frauenunterdrückung auch konsequente Kämpferinnen und Kämpfer gegen jede andere Unterdrückung (Rassismus, nationale Unterdrückung, etc.) und gegen die Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse und der Halbkolonien (der sogenannten Dritten Welt). Dennoch kann man nicht alle FeministInnen in einen Topf werfen. Jede Strömung des Feminismus hat ihre eigenen politischen Fehler, die der wirklichen Frauenbefreiung, die es nur im Sozialismus geben kann, entgegengesetzt sind. FEMEN gehört zu einer feministischen Strömung, die besonders widerwärtige, wenn auch nicht gerade viele, Positionen im Namen der (angeblichen) Frauenbefreiung vertritt. So widerwärtig, dass selbst zahlreiche FeministInnen diese Gruppe ablehnt.

 

Chauvinist als Gründer von FEMEN

 

Die Gruppe FEMEN ist von einem Mann namens Victor Svyatski gegründet worden, der laut einer Dokumentation von Kitty Green aus dem Jahre 2013 auch damals noch eine führende Rolle in der Gruppe spielte. Einige Monate nach der Veröffentlichung der Dokumentation gab Svyatski bekannt, dass er nicht mehr zu FEMEN gehört. Auch hat sich die Führerin von FEMEN Inna Shevchenko mehrmals dazu geäußert, dass Svyatski mit FEMEN nichts mehr zu tun hat. Es lässt sich an der Geschichte von FEMEN allerdings nichts ändern, dass Victor Svyatski nicht nur eine führende Rolle in den Anfängen der Gruppe spielte. Er war und ist ein ausgewachsener Chauvinist. Die Auswahl der FEMEN Aktivistinnen erfolgte in Absprache mit ihm und beinhaltete (und beinhaltet nach wie vor) ausschließlich schlanke, junge, schöne Frauen zu wählen. Svyatski bezeichnet sich selbst als Patriarch, die Aktivistinnen nannte er immer wieder „bitches“. Um ein sehr bekannt gewordenes Zitat von ihm anzuführen: „Diese Mädchen sind schwach. Sie haben keine Charakterstärke. Sie haben noch nicht mal das Bedürfnis stark zu sein. Stattdessen zeigen sie Unterwürfigkeit, Rückratlosigkeit, Fehlen von Konzentriertheit und viele andere Faktoren, die sie davor bewahren politische Aktivistinnen zu werden.“

 

Hier geht es also gar nicht um die Frage, ob ein Mann eine zentrale Rolle im Aufbau einer Frauenorganisation spielen soll. Hier geht es um einen Sexisten, der auf die Frage ob er FEMEN (mit)gründete um „Mädchen zu bekommen“ mit „Vielleicht ja, irgendwo in meinem tiefen Unterbewusstsein“ antwortete. Nicht verwunderlich, dass im Rahmen der erwähnten Dokumentation eine führende FEMEN-Aktivistin das Verhältnis der Frauen in FEMEN zu Svyatski mit dem Stockholm Syndrom verglich, bei dem Entführungsopfer Sympathien mit ihren Entführern entwickeln. Sie machte klar, dass sie ihn wohl für ihren Aktivismus nicht brauchen, sehr wohl aber psychisch abhängig von ihm sein. Die Ursprünge von FEMEN sind eine Perversion, die ihresgleichen sucht.

 

„Sextremismus“ und sonst nichts

 

Die Aktionsform für die FEMEN bekannt geworden ist, bezeichnen sie selber als Sextremismus: Medieninszenierte Protestauftritte einzelner (halb)nackter Frauen. Unabhängig vom des im Kern widerwärtigen Auswahlverfahrens ausschließlich schlanke, hübsche und junge Frauen performen zu lassen, damit es auch ja zentral in die Medien kommt – eine Vorgehensweise, die selbst die politisch rückschrittlichsten unter den FeministInnen verachten: Die Protestform von FEMEN ist im besten Fall pseudo-radikal. Jede primitive Bier-Werbung schafft es (halb)nackte Frauen so zu inszenieren, das sie wegen ihrer geschlechtlichen Merkmale Aufmerksamkeit erregen. Doch im Gegensatz zu FEMEN maßen sich solche Werbekampagnen zumindest nicht an damit eine politische Botschaft zu verbreiten. Welche politische Botschaft das sein soll? „Unsere Mission ist Protest! Unsere Waffen sind nackte Brüste!“, „Manifestation des Rechtes auf ihren eigenen Körper durch die Frau ist der erste und wichtigste Schritt ihrer Befreiung. Weibliche Nacktheit, frei vom patriarchalen System, ist der Totengräber des Systems, kämpferische Manifestation und heiliges Symbol der Frauenbefreiung.“ FEMEN spricht also der Aktion einer nackten Frau bzw. mehrerer nackter Frauen die Sprengkraft zu, das ganze System der Frauenunterdrückung zu zerstören. Angesichts dieser großen Erwartungen dürfte FEMEN keine allzu positive Bilanz ihrer bisherigen Erfolge ziehen können.

 

Die Aktionsform des „Sextremismus“, wie in FEMEN ins Leben gerufen hat, ist irritierend (nicht nur aber auch) weil es so inhaltslos ist. Als die kleinbürgerliche Frauenbewegung, die im Anschluss an die 68er Bewegung in Europa entstanden ist, ihre Aktionsformen entwickelte hat sie den Körper der Frau in den Mittelpunkt dieser Aktionsformen gesetzt. Die wohl noch heute in weiten Kreisen bekannteste Aktionsform war das Verbrennen der BHs. Damals handelte es sich bei aller politischen Kritik, die wir an den kleinbürgerlichen Feministinnen haben, um ernsthafte Aktivistinnen, die sich mit zentralen politischen Fragen der Frauenbefreiung und anderer Themen auseinandergesetzt haben. Die Folge dieser politischen Auseinandersetzungen waren Ideen, die in Artikeln bis hin zu Büchern, in Reden, in Diskussionen dargelegt wurden. Ihre Aktionen inklusive der Nutzung des weiblichen Körpers um ihre politischen Botschaften auszudrücken waren nur ein Teil ihres politischen Daseins.

 

FEMEN hingegen rotiert um den Punkt angeblich radikaler Aktionen, die den weiblichen Körper als Plakat nutzen und setzt allgemein formulierte Botschaften in die Welt, die sich locker auf einem Kaugummipapier ausgehen würden. Nach drei kurzen Sätzen ist ihre politische Botschaft auch schon vorbei. Bei allem gebotenen Respekt, selbst ein Donald Trump – ein Mann mit besonders geringer Intelligenztoleranz – schafft es (mehr als) ein Buch zu schreiben bzw. schreiben zu lassen, in dem er seine politischen Überlegungen darlegt. So sehr sein Stil auch zur zerebralen Zersetzung der LeserInnen führt, die Bücher haben eine Reihe politischer Aussagen.

 

Die widerwärtige Liga der Islamophoben

 

Zu einen der wenigen Losungen, die FEMEN für sich ausgesucht hat, die sie aber dafür gleich als allererstes nennt ist: „Sofortige politische Entmachtung aller Diktaturen, die untragbare Lebensumstände für Frauen schaffen, allen voran theokratische islamische Staaten, die Sharia oder andere Formen des Sadismus gegen Frauen praktizieren.“

 

Die Sharia, die Gesetzgebung auf dem sich der politische Islam stützt, passt sich der jeweiligen Klassengesellschaft in der sie existiert an. Sie legt für sich genommen keine eigene Wirtschaftsform (feudale Wirtschaft, asiatische Produktionsweise, Marktwirtschaft, Planwirtschaft, etc.) fest. Sie ist ebenso stark von den jeweiligen nationalen Eigenheiten und der jeweiligen islamischen Strömung in ihrer Umsetzung beeinflusst. Es ist daher komplett absurd und zeugt von großer Ignoranz die Sharia automatisch mit Diktaturen zu verbinden ebenso wie es falsch ist sie automatisch als Sadismus gegen Frauen zu bezeichnen. Die Aktionen die FEMEN gesetzt hat, haben das Stürmen muslimischer Veranstaltungen (natürlich mit nackten, beschrifteten Oberkörper) und das offene Beschimpfen von Muslimen und dem Islam als solches beinhaltet.

 

Als Kommunistinnen und Kommunisten sehen wir die sozialistische Sowjet-Gesetzgebung als die richtige Form an. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Sozialismus Gesetzgebungen wie die Sharia verbieten wird. Im Gegenteil ist es Teil des Aufbaus der sozialistischen Gesellschaft all jenen Völkern, die ihre Traditionen – seien sie religiös oder kulturell – weiter erhalten wollen, auch dieses Recht zu gewähren. Die einzigen Einschränkungen, die sich für die Umsetzung der Sharia, wie auch für die Halacha (jüdisches Gesetzbuch), die Regeln der Amische (Strömung in den USA) oder andere christlicher Strömungen, der Hindus und vieler anderer religiöser Gruppen ergibt, liegt dort wo sie den Aufbau des Sozialismus verunmöglichen. Letztlich wird es die individuelle Entscheidung der Betroffenen sein, ob sie zum Beispiel bei Straftaten ihren Fall lieber nach dem Gesetz ihrer jeweiligen Tradition oder nach dem Gesetz des Sowjetsozialismus entschieden haben wollen.

 

Die Aussagen FEMENs zur Sharia und den „theokratischen islamischen Staaten“ sind in Wirklichkeit – auch in Verbindung mit ihren Aktionen – als das zu verstehen was sie in Wirklichkeit sind: Abstoßende, rassistische und islamophobe Herangehensweisen. FEMEN spricht auch allen muslimischen Schwestern überhaupt die Eigenständigkeit ab zu entscheiden, wie und in welcher Form sie ihren Glauben für sich leben wollen. Als sich eine Initiative namens „Muslim Women against FEMEN“ gegründet hat, die inzwischen über 16.000 Likes auf Facebook hat, kam über den Blog von Inna Shevchenko: „So Schwestern, (Ich bevorzuge es mit Frauen zu sprechen, auch wenn ich weiß, dass hinter ihnen bärtige Männer mit Messern stehen). Ihr sagt zu uns, ihr seid gegen Femen, aber wir sind hier für euch und für jede von uns, da Frauen die modernen Sklaven sind und es nie eine Frage der Hautfarbe ist. Ihr sagt, ihr lebt so wie ihr es wollt. Als die fünfte Frau im Harem ist das höchste was ihr sein könnt die Lieblingsfrau...Stimmts?

 

Diese Aussage beinhaltet all den Chauvinismus, der FEMEN so ausmacht – Rassismus in Kombination mit Sexismus mit einer ordentlichen Portion unbegründeter Aufgeblasenheit. Angesichts der oben dargelegten Ursprünge FEMENs erscheint der Kommentar Shevchenkos besonders bigott.

 

FEMEN versus wirklicher Frauenbefreiung

 

Der „Politik“ von FEMEN (wenn man es bei all den Beschränktheiten dieser Organisation überhaupt so nennen kann) ist dem Programm wirklicher Frauenbefreiung entgegengesetzt. Ein solches Programm beinhaltet unserer Meinung nach unter anderem folgende Losungen:

 

* Schluß mit allen Formen der rechtlichen Benachteiligung der Frauen – sei es in der Arbeitswelt, beim Zugang zur Bildung oder bei den Wahlen!

 

* Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!

 

* Für den massiven Aufbau von kostenlosen, gut ausgestatteten Kinderbetreuungseinrichtungen rund um die Uhr! Für ein breit gefächertes Angebot von günstige und hochwertigen öffentlichen Verpflegungsstätten und Wäschereien! Unser Ziel ist die Vergesellschaftung der Hausarbeit!

 

* Massive Unterstützung zur Umwandlung der Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse für Frauen!

 

* Für ein öffentliches Beschäftigungsprogramm, um die Voraussetzung für die Vergesellschaftung der Hausarbeit zu schaffen und gleichzeitig die Arbeitslosigkeit unter den Frauen zu beseitigen!

 

* Freier Zugang zu kostenlosen Verhütungsmitteln und Abtreibung auf Verlangen ohne Ansehen des Alters und unabhängig davon, im welchen Monat der Schwangerschaft sich die Frau befindet!

 

* Kampf der Gewalt gegen Frauen! Für den Ausbau öffentlicher und von Frauenorganisationen kontrollierten Frauenschutzeinrichtungen! Für den Aufbau von Selbstverteidigungseinheiten gegen frauenfeindliche Gewalt durch die ArbeiterInnen- und Frauenbewegung!

 

* Weg mit allen Gesetzen und öffentlichen Kampagnen über religiöse Kleidervorschriften! Für das Recht auf das Tragen religiöser Kleidung unabhängig davon, ob es sich um eine Form von muslimischer Verschleierung, um den Dastar der Sikhs o.ä. handelt! Aber auch gegen jeden Zwang, diese tragen zu müssen!

 

* Für den Aufbau einer revolutionären Frauenbewegung! Für das Recht auf eigene Treffen von Frauen in den Massenorganisationen der ArbeiterInnen und Unterdrückten!

 

 

 

Letztlich muss der Weg zur Frauenbefreiung verbunden sein mit dem Weg zur Befreiung der ArbeiterInnenklasse sowie aller Unterdrückten. Es ist ein Weg des revolutionären Kampfes für eine sozialistische Gesellschaft. Um diesen Weg zu beschreiten braucht es mehr als Blumenkränze auf dem Kopf und ein Kaugummipapier-Programm. Das unterscheidet immerhin politische Aktivistinnen und Aktivisten von dem was FEMEN ist: Eine Truppe chauvinistischer Clowns.