Israel - Hände weg von Al-Aqsa!

An alle Revolutionäre: Verteidigt die Rechte der Muslime!

Von Boris Hammerschlag, Internationalist Socialist League (Sektion der RCIT in Israel/besetztes Palästina), 22. Juli 2017, www.the-isleague.com (Übersetzung: R. Berisha und M. Hangler)

Wieder fegt eine gigantische Welle der Gewalt über Al-Quds (Jerusalem) und das heilige al-Aqsa-Gelände. Ein Guerillaangriff mit Schusswaffen von drei muslimisch-palästinensischen Staatsbürgern Israels, der letzte Woche (14. Juli) geschah, und zum Tod zweier israelischer Polizisten führte, wurde von der israelischen Regierung als Vorwand für kollektive Bestrafung, politische Verhaftung und mörderische Unterdrückung benützt. Die Zusammenstöße, die darauf folgten, haben bisher das Leben von 3 Palästinensern und 3 israelischen Westbank-Siedlern sowie ungefähr 140 verletzten Palästinensern gefordert.

Die Internationalistische Sozialistische Liga sieht die Verantwortung für diese palästinensischen und israelisch-jüdischen Toten und Verletzten bei der zionistischen ultrarechten Regierung. Es gibt diese Toten und Verletzten nur wegen der konsequenten, provokativen Politik der Verlagerung des zionistisch-palästinensischen Konflikts von einem kolonialistisch-nationalistischen Kampf zu einem globalen, religiösen, heiligen Krieg.

Wir fordern alle revolutionär gesinnten Sozialisten, sowie alle Unterstützer der Freiheit und Demokratie auf, sich an Massenmobilisierungen zur Verteidigung der muslimischen Religionsfreiheit zu beteiligen, in Solidarität mit dem palästinensischen Kampf um die Entkolonialisierung und die volle Befreiung ihrer Heimat, vom Fluss zum Meer.

Wir halten weiterhin fest und konsequent an unserer Position fest, dass der einzige Weg, um Frieden, Wohlstand und soziale Gerechtigkeit in Palästina zu erreichen, durch eine regionale, demokratische Revolution möglich ist, die von einem Bündnis der Arbeiterklasse und der unterdrückten Massen geführt wird. Diese Revolution darf sich nicht auf die Verwirklichung der vollen Demokratie beschränken, sondern muss als sozialistische Revolution ohne Zwischenstopp fortgesetzt werden. Andernfalls würden alle demokratischen oder gesellschaftlichen Errungenschaften schnell von einer bürgerlich-kapitalistischen Konterrevolution zurückgeworfen.

Widerlegung der Lügen der zionistischen Medien und der staatlich geförderten Propaganda

Lüge #1 - Israel hat ein vollständiges Verbot für Muslime erlassen, das al-Aqsa-Gebiet zu betreten und dies zum ersten Mal seit 48 Jahren. Der Staat hat Metalldetektoren platziert und Sicherheitskräfte auf dem Areal stationiert, nur weil es ihm um die Sicherheit und die Religionsfreiheit der Juden, Muslime und Christen geht.

Die Wahrheit ist, dass Israel seinen Würgegriff um alle heiligen Stätten, die es seit 1967 besetzt hält, benutzt hat um die palästinensische Bevölkerung kollektiv zu bestrafen. Wenn ein Palästinenser von seinem laut UNO gegebenem Recht auf bewaffneten Widerstand gegen eine illegale militärische Besetzung Gebrauch machte, wird das palästinensische Volk als Ganzes dafür bestraft.

Jede politische Institution, die sich wirklich um Menschen und Religionsfreiheit sorgt, hätte sich keine heiligen Stätten einverleibt und sie unter militärische oder polizeiliche Verwaltung gestellt. Außerdem würde sie sicherlich davon absehen, ihre eigene Bevölkerung als menschliches Schutzschild zu benutzen, indem sie diese zur Besiedlung von besetzten Gebieten motiviert oder religiöse, fanatische NGOs zu finanzieren, die offen die Entfernung der al-Aqsa-Moschee zugunsten eines 3. jüdischen Tempels fordern. (1)

 
Lüge #2 - Israel macht nichts Falsches oder Besonderes, indem es Metalldetektoren am Eingang der heiligen Verbindung platziert. Viele andere religiöse heilige Stätten und Orte von kultureller Bedeutung haben Metalldetektoren, darunter der Vatikan und die Ka'aba in Mekka.

Die Wahrheit ist, dass all diese anderen Orte mit Metalldetektoren ausgestattet wurden, weil es dafür eine Forderung oder zumindest die Zustimmung der Gläubigen gab, an diejenigen die sie als ihre Autorität betrachten.

Die historische Erfahrung zeigt, dass jene Muslime und friedlichen Touristen, die das al-Aqsa-Gebiet besuchen, nur die Besatzungspolizei, das Besatzungsmilitär und die gelegentlich auftauchenden ultrarechten, religiösen, fanatischen Siedler, die mit einem Maschinengewehr der israelischen Armee ausgerüstet sind, zu fürchten haben – keine dieser Personen hätte sonst eine nennenswerte Begründung, diese Stätte zu betreten. Wenn irgendwelche Metalldetektoren eingesetzt werden sollten, müsste das von der Waqf-Behörde getan werden, um sich gegen die Zionisten zu schützen, und nicht umgekehrt.

Die Palästinenser haben jedes Recht, vorsichtig und misstrauisch zu sein! In den 1930er Jahren haben die zionistischen Führer auch versprochen, dass sie nicht die Klagemauer übernehmen wollen, und nach dem Krieg von 1967, dass sie die Ibrahimi-Moschee in Al-Chalil nicht beschädigen.

Viele Israelis scheinen nicht in der Lage zu sein, zu begreifen, welches große Problem Sicherheitskontrollen von israelischen Soldaten darstellen. Vielleicht sollten sie sich zuerst fragen, was der Hintergrund für ihr Fasten am Tish'a B'Av ist und was zur jüdischen Rebellion gegen die Römer führte.

Lüge #3 - Die Terroristen, die die beiden Polizisten in der Nähe des Geländes erschossen und getötet haben, wurden durch die Führung der palästinensischen Israelis radikalisiert und zur Gewalt angestiftet. Vor allem geht es hier um die Islamische Bewegung (Sektion Nord), die vor kurzem im Rahmen des permanenten „Ausnahmezustandes“ verboten wurde.

Erstens können diejenigen, die bewaffnete Besatzungspolizisten töten, nicht als Terroristen eingestuft werden, sondern als Guerillakämpfer. Zweitens ist es wahr, dass die Islamische Bewegung (Sektion Nord) für eine Weile eine starke Wortführerin bei der Behauptung war, dass Israel gefährliche Ziele in al-Quds verfolgt - nicht nur beim Ausbau der Vorherrschaft der jüdischen Bevölkerung (eine Form des zionistischen Gentrifizierungsprojekts) in palästinensischen Dörfern und Nachbarschaften in al-Quds (Ost-Jerusalem), sondern auch bei der Gefährdung der physischen Struktur der Moscheen und der heiligen Stätte unter dem Deckmantel archäologischer Forschungs- und Ausgrabungsarbeiten – alles um den Wiederaufbau des mythischen jüdischen Tempels der Antike herbeizuführen.

Allerdings ist es eine Tatsache, dass solche Bedenken nicht ohne reale Grundlage ausgesprochen werden. Der Aufbau einer Vorherrschaft des jüdischen Bevölkerungsanteils in bestimmten arabischen Mehrheitsgebieten ist historisch gesehen eine offene und nachgewiesene zionistische Praxis. Einer der großen revolutionären Erhebungen in Palästina - der Aufstand von 1936-39 - wurde zum Teil durch das provoziert, was die Zionisten offen "Besitznahme der Arbeit" nannten. Unter dem Slogan der hebräischen Arbeit machte sich die zionistische Führung daran, die arabischen Arbeiter in allen Berufsfeldern zu verdrängen und sie durch jüdische Arbeiter zu ersetzen. Die Auswirkungen des zionistischen Siedler-Kolonialismus sind mittlerweile international bekannt.

Israel hat den Boden unter der al-Aqsa-Moschee ausgehöhlt, um einen archäologischen Beweis in dem Gebiet für eine jüdische Präsenz und ein religiöses Leben vor 2000 Jahren zu finden. Muslime, die das Gelände besuchen, um zu beten, stellen unzählige Bilder online, die zeigen, wie sich in den Mauern oben bei der Moschee, und in nahegelegenen Häusern Löcher bilden, die sich plötzlich im Boden auftun, etc. (2)

Wir haben nicht genügend Beweise dafür, dass die israelische Regierung bewusst die plötzliche Zerstörung von al-Aqsa vorbereitet. Doch als Besatzungsmacht, als unrechtmäßig herrschende Autorität, hat sie kein Recht, irgendwelche Änderungen an oder um die heiligen Stätten herum zu machen.

Wir verstehen jedenfalls die Besorgnis der muslimischen Bevölkerung von Palästina um ihre Kultstätten. Immerhin sind Brandstiftungen von zionistischen Hardlinern gegen Moscheen und Kirchen in Israel und weiteren besetzten Gebieten alltäglich. Nur in einer extrem geringen Anzahl an Fällen werden die Täter durch die israelischen Behörden erfasst und verfolgt. (3)

Darüber hinaus haben sich die Stimmen derer, die den Bau des 3. Tempels für Juden in al-Quds unterstützen, in den letzten Jahren in einem extrem schnellen Tempo vermehrt. Sie reichen jetzt von den dunklen Ausfransungen zionistischer Kahanisten-Rechtsextremer bis zum Mainstream der "gemäßigten" rechten zionistischen Regierungspartei - HaLikud, die unter der Leitung des Premierministers Benjamin Netanyahu steht.


Lüge #4 - Israel ist der Staat aller Juden auf der ganzen Welt und als solcher ist er verantwortlich für die Aufrechterhaltung der Möglichkeit beim "Tempelberg" zu beten, sowie der Sicherheit der Gläubigen bei dem angrenzenden Klagemauer-Gelände. Die muslimische Führung ist der Feind der Religionsfreiheit, da sie es den Juden nicht erlaubt, beim al-Aqsa-Gelände zu beten, wo der jüdische Tempel einmal stand. Zusätzlich sieht man hier wieder einmal, dass der Islam eine Religion der Intoleranz und des Terrorismus ist.


Die Wahrheit ist, dass die zionistische Bewegung aktuell die vielleicht heuchlerischsten politischen Grundsätze auf dem ganzen Planeten hat. Vor ein paar Wochen hat die Regierung einen Kompromissplan aufgehoben, der es den nicht-ultra-orthodoxen Juden gestattet hätte, in der Art und Weise zu beten, wie es ihnen Recht ist (Männer und Frauen können zusammen beten; Frauen können ein Gebet leiten; aus der Schrift darf laut vorgelesen werden usw.) und das in einem winzigen Bereich der Klagemauer!

Wir sind absolut überzeugt, dass nicht-orthodoxe jüdische Frauen, die bei der Klagemauer ankamen, sich nicht sehr sicher fühlten, als sie einem Trommelfeuer aus Spucke, Steinen, Plastikstühlen usw. begegneten, nur um von der Polizei als Provokateure gewaltsam fortgeschafft zu werden, ohne überhaupt die Angreifer zu verhaften. Muslimische Gewalttäter hätten es unter ähnlichen Umständen nicht lebend heraus geschafft.

Muslime hingegen haben es den Juden gestattet, in ihre Moscheen einzutreten um zu beten, als starker Schneefall in Gebieten in der Türkei kein Gebet in den jüdischen Synagogen erlaubte. Während des Holocausts gaben die Moscheen den Juden in Paris und Nordafrika Schutz und versteckten sie vor den Nazis.

 

Israels offensichtliche Motivation, den kolonialen Konflikt in einen religiösen, heiligen Krieg umzuwandeln, könnte vielleicht durch den Druck der zunehmend geringer werdenden Unterstützung des Großteils der jüdischen Bevölkerung außerhalb von Israel erklärt werden – den amerikanischen Juden. Umfragen zufolge haben immerhin 15% von ihnen nicht nur ihre bedingungslose Unterstützung für Israel zurückgezogen, sondern unterstützen auch die Bemühungen, ihre Institutionen zu boykottieren, zu veräußern und zu sanktionieren - die BDS-Kampagne.

Eine wachsende Zahl von Juden versteht nun die wahre Natur Israels als Todesfalle für Juden und nicht als ihre Rettung. Wenn sich der israelische Premierminister mit dem Vertreter des amerikanischen männlichen Chauvinismus und weißer Vorherrschaft trifft - Donald Trump, der von offen antisemitischen Elementen wie dem KKK und Neonazi-Banden öffentlich unterstützt wurde - wird es immer schwieriger und schwieriger, sich zu weigern 2 und 2 zusammenzuzählen.
 

Individuelles Heldentum ist nicht die Antwort! Es ist Zeit für Aktionen durch Massenmobilisierung!
 

Die ISL (Israel/besetztes Palästina) unterstützt nicht individuelle Terrorakte oder heroische, individuelle Guerillaangriffe. Wir sehen keinen Nutzen in solchen individualistischen Handlungen für den palästinensischen Kampf, so verständlich sie auch sein mögen. Wir sehen, wie die zionistische Führung solche Angriffe als eine Ausrede nutzt, um das Level der Brutalität ihres Apartheidregimes zu erhöhen.

 
Es ist Zeit für das palästinensische Volk und seinen Unterstützern unter den israelischen Juden aufzustehen und sich in massenhaften, kollektiven und vereinigten Mobilisierungen zu organisieren. Die vordringliche Aufgabe ist es, demokratische Volkskomitees zu organisieren. Wir müssen all diejenigen, die zionistische Apartheid, Unterdrückung und Landraub bekämpfen wollen, mit der Möglichkeit ausrüsten, gemeinsam zu kämpfen. Wir müssen einen Weg finden, um die Hoffnung in ihren Herzen anzufeuern, anstatt zu verzweifeln!

 
 

Fußnoten
 

(1) http://www.mako.co.il/home-family-kids/education/Article-4b5d7eb38b9ec51006.htm

 (2) https://www.middleeastmonitor.com/20170228-minister-israels-excavations-are-damaging-al-aqsa/

 (3) https://www.theguardian.com/world/2014/may/09/christians-israel-palestine-rise-violence-pope-visit

Für die RCIT-Analyse der Befreiung in Palästina verweisen wir auf unsere zahlreichen Artikel und Dokumente, die unter dem Menüpunkt „Afrika und der Nahe Osten“ auf unserer Website abgerufen werden: https://www.thecommunists.net/worldwide/africa-and-middle-east/. Insbesondere verweisen wir auf die folgenden Dokumente:

ISL [in englischer Sprache]: Unterstützt die Forderungen der palästinensischen Freiheitskämpfer in den israelischen Gefängnissen! Freiheit für alle palästinensischen politischen Gefangenen! 21. März 2017, https://www.thecommunists.net/worldwide/africa-and-middle-east/palestinian-hunger-strike/

RCIT [in englischer Sprache]: Weltperspektiven 2017: Der Kampf gegen die reaktionäre Offensive im Zeitalter des Trumpismus, Thesen zur Weltsituation, die Perspektiven für den Klassenkampf und die Aufgaben der Revolutionäre, 18. Dezember 2016, Kapitel IV. Der Nahe Osten und die Lage der arabischen Revolution, https://www.thecommunists.net/theory/world-perspektiven-2017/part-4/

RCIT: Revolution und Konterrevolution in der Arabischen Welt: Eine Bewährungsprobe für Revolutionäre, 31. Mai 2015, https://www.thecommunists.net/home/deutsch/arabische-revolution/

RCIT [in englischer Sprache]: Israel startet Bodenoffensive: Verteidigt Gaza! Besiegt den israelischen Krieg! Unterstützt den palästinensischen Widerstand! Für eine internationale Arbeiter- und Volkskampagne für den Boykott Israels! Nieder mit den Regimes, die mit Israel zusammenarbeiten! Für ein freies, rotes Palästina! 22. Juli 2014, https://www.thecommunists.net/worldwide/africa-and-middle-east/joint-statement-defend-gaza/

Yossi Schwartz [in englischer Sprache]: Israel, Hände weg von Al-Aqsa! Nieder mit dem israelischen Apartheidstaat! 5. November 2014, https://www.thecommunists.net/worldwide/africa-and-middle-east/hands-off-al-aqsa/

Yossi Schwartz [in englischer Sprache]: Israels Krieg von 1948 und die Degeneration der Vierten Internationale, Mai 2013, https://www.thecommunists.net/theory/israel-s-war-of-1948/

Michael Pröbsting [in englischer Sprache]: Zu einigen Fragen der zionistischen Unterdrückung und der permanenten Revolution in Palästina. Gedanken über einige Besonderheiten des israelischen Staates, die nationale Unterdrückung des palästinensischen Volkes und die Konsequenzen für das Programm der Bolschewiki-Kommunisten in Palästina, Mai 2013, https://www.thecommunists.net/theory/permanent-revolution-in -Palästina/