Kampf den Arbeitsgesetzen von Macron

Jetzt muss Frankreich in seinen Grundfesten beben!

 

Statement des Europäischen Büros der RCIT, 28. August 2017 (Übersetzung: Rahime Berisha & Marek Hangler), www.thecommunists.net

 

 

 

1.         Nachdem sowohl der Senat als auch die Nationalversammlung die neuen Arbeitsgesetze genehmigt hatten, wurde der erste und gleichzeitig enorm schädliche Angriff des neuen Präsidenten gegen die französische ArbeiterInnenklasse sichtbar. Es war von Anfang an klar, dass der französische Präsident Emmanuel Macron und seine neu gegründete, bürgerliche Partei La République En Marche! eine große Bedrohung für die Arbeiter und Unterdrückten in Frankreich darstellen werden. Die neuen Arbeitsgesetze sind der erste, aber sicher nicht der letzte Angriff auf Arbeiterrechte, den die neue Regierung umsetzen will. Die Gesetze sollen mit Ende September in Kraft treten. Im Namen der Revolutionär-Kommunistischen Internationalen Tendenz (RCIT) ruft das Europäische Büro die Arbeiter und Unterdrückten in Frankreich auf, massive Proteste zu organisieren, bis hin zu einem Generalstreik, um die neuen Gesetze zu Fall zu bringen.

 

 

 

2.         Die neuen Arbeitsgesetze wurden von Macron mit der Begründung präsentiert, "den Arbeitsmarkt zu liberalisieren und zu befreien". Das ist nichts anderes als die bürgerliche Sprache für "das Elend der Arbeiter zu vergrößern, um damit den Profit der Bosse zu vergrößern". Kein Wunder, dass die Arbeitsgesetze die vollständige Flexibilisierung der Arbeitszeit beinhalten. Sie geben fast die ganze Verhandlungsmacht an die einzelnen Betriebe, was den Einfluss von branchenweiten Verhandlungen schwächt. Die Gesetze wollen, dass Arbeiter, die ohne Begründung entlassen werden, weniger Entschädigung erhalten. Verschiedene Organe der Arbeiterbewegung werden zu einem verschmolzen, was es für die radikalen Fraktionen der Gewerkschaften weitaus schwieriger macht, sich in konkreten Betrieben erfolgreich durchzusetzen. Obwohl die neuen Gesetze sie nicht offiziell abschaffen, zählen sie das Ende der 35-Stunden-Arbeitswoche an.

 

 

 

3.         Es ist sehr wichtig und dringend für die Arbeiterbewegung, konsequent und erfolgreich gegen diesen ersten und großen Angriff zu kämpfen, da sie den Widerstand gegen die neue Regierung auf die Probe stellt. Wir unterstützen daher den bundesweiten Streiktag, der von der kämpferischen Gewerkschaft CGT für den 12. September geplant wurde, und rufen alle anderen Gewerkschaften und Arbeitsorganisationen auf, daran teilzunehmen und zu mobilisieren. Die RCIT und ihr Europäisches Büro verurteilen die Ablehnung der größten Gewerkschaft CFDT und der drittgrößten Force Ouvriere (FO), an den Protesten teilzunehmen. Kein Arbeiter sollte vergessen, dass die CFTD die Mobilisierung für die beeindruckenden und militanten Proteste ablehnte, die gegen das letzte reaktionäre Arbeitsgesetz (El-Khomri-Gesetz) von 2016 gerichtet waren, das von der Hollande-Regierung umgesetzt wurde. Wir rufen die Gewerkschaftsaktivistinnen und -aktivisten innerhalb des CFDT und der FO auf, gegen die Pläne der Bürokraten zu handeln und für den Aktionstag zu mobilisieren. Doch die neuen Arbeitsgesetze werden nicht wegen einem Tag mit Massenstreiks zurückgenommen. Tatsächlich bringt nur ein unbefristeter Generalstreik die Möglichkeit, die Gesetze zu Fall zu bringen. Ein solch unbefristeter Generalstreik öffnet den Weg, die neue Regierung zu stürzen. Allerdings muss ein solcher Streik gut vorbereitet, gut organisiert und von der Arbeiterklasse geschützt werden.

 

 

 

4.         Der permanente Ausnahmezustand wird bereits gegen Streiks und Demonstrationen eingesetzt und wird massiv heraufgesetzt. Macron hat die Sofortmaßnahmen der Vorgängerregierung von François Hollande nahtlos übernommen, einschließlich der Beschränkungen von Streiks und Versammlungen. Was noch außergewöhnlich unter Holland war, ist bei Macron dauerhaftes Gesetz: eine ständige Herrschaft durch den Präsidenten. Die Polizei hat sehr umfangreiche Befugnisse erhalten, die auch im Zusammenhang mit Hausdurchsuchungen und anderen Verletzungen der Bürgerrechte verwendet werden. Der Ausnahmezustand wurde fünfmal nach den Pariser Anschlägen vom 13. November 2015 verlängert. Macron gewann eine weitere Verlängerung bis zum 1. November dieses Jahres. Es ist sehr dringend, sich auf den Schutz und die Verteidigung des Massenstreiks am 12. September durch die Bildung von Selbstverteidigungs-Komitees durch Arbeiter in den Gewerkschaften und an den Arbeitsplätzen vorzubereiten. Wir rufen alle Revolutionäre, alle fortschrittlichen Organisationen sowie alle Kämpfer in der Arbeiterbewegung auf, die Kräfte beim Aufbau solcher Selbstverteidigungs-Einheiten zusammenzuschließen.

 

 

 

5.         Jean-Luc Mélenchon und seine Partei France Insoumise organisieren für den 23. September einen Aktionstag, und geben nebenbei dem Streik am 12. September verbale Unterstützung. Die programmatische Basis von Frankreich Insoumise kann nicht als antikapitalistisch, sondern als sozialimperialistisch, kleinbürgerlich und populistisch bezeichnet werden. Sie enthält zwar eine Reihe von fortschrittlichen Forderungen, einschließlich der Stärkung des Gesundheitssystems, einer Erhöhung des Mindestlohns sowie einer Erhöhung der Mindestrenten. France Insoumise lehnt auch das El-Khomri-Gesetz von 2016 ab, was eine fortschrittliche Haltung ist. Doch ihre Strategie für die Arbeiterbewegung ist es, diese in eine neue Form der imperialistischen Staatsstruktur Frankreichs einzubeziehen, einer "VI. Republik". Es phantasiert über eine 6. Republik Frankreichs mit Mélenchon als neuen Präsidenten. Abgesehen von einigen fortschrittlichen Forderungen badet France Insoumise im französischen Nationalismus, was am Ende ein Schwimmen im imperialistischen Ozean ist. Kein Wunder, dass es einen eigenen Aktionstag ausruft. Während France Insoumise von reformistisch-bürokratischen Kräften in der Arbeiterbewegung gegründet wurde, verwandelt es sich rasch in Richtung einer links-populistischen kleinbürgerlichen Kraft außerhalb der Arbeiterbewegung.

 

 

 

6.         Andere Kräfte wie die NPA (Nouveau Parti Anticapitaliste) nehmen definitiv die richtige Position ein, indem sie den Massenstreik am 12. September unterstützen und für ihn mobilisieren, während sie das France Insoumise kritisieren, weil es sich nicht auf den Antikapitalismus, die Arbeiterklasse und die Arbeiterbewegung als solche ausrichtet. Allerdings ist die NPA inzwischen viel zu unkritisch gegenüber France Insoumise und scheiterte ebenfalls dabei, mit Massenelementen zu verschmelzen, wie nach seinen schlechten Ergebnissen bei den letzten Wahlen offensichtlich wurde. Auch wenn sie korrekterweise France Insoumise für ihr Sektierertum gegenüber Organen der Arbeiterbewegung, ihrem undemokratischen Parteisystem, ihrer Ablehnung der Arbeiterklasse und ihrer Hauptorientierung auf Wahlkämpfe statt Mobilisierungen auf der Straße angreifen – so schafft es die NPA nicht, den Chauvinismus, die pro-imperialistische Haltung und ähnliche Kernelemente der politischen Agenda von France Insoumise scharf zu verurteilen. Eine wahrhaft tödliche Blindheit und eine viel zu pädagogische Kritik gegenüber einer Partei in einem Land, das die imperialistische Europäische Union mit anführt, das eine Geschichte als Kolonialmacht hat und nicht nur eine Reihe von halbkolonialen Ländern ausbeutet und besetzt, sondern auch eine hohe Anzahl von Migranten überausbeutet. Die Wechselhaftigkeit und ständige Schmeichelei der NPA verleitete sie, in der zweiten Runde der Wahlen für die Kandidaten von France Insoumise (und der CPF) als Kandidaten mit einer "klaren Position gegen nächste Angriffe auf das Arbeitsrecht, Renten, soziale Sicherheit und diejenigen, die sie unterstützen werden" aufzurufen. Ohne eine konsequente Kritik an France Insoumise können die falschen Hoffnungen von Massenelementen nicht richtig aufgeklärt werden. Angesichts der Kämpfe gegen die Angriffe der Macron-Regierung muss die Arbeiterbewegung mit den Organen der Unterdrückten wie Migrantenorganisationen und anderen zusammenarbeiten. Eine falsche Pädagogik gegenüber Sozialimperialisten riskiert ein gebrochenes Genick für dieses Ziel.

 

 

 

7.         Es ist eine sehr gefährliche Situation für die französische Arbeiterklasse, für die Jugend, für alle mit Migrationshintergrund: Die Parteien, auf die sich die Arbeiterbewegung ausrichtet, sind alle in einem schlechten Zustand, einige von ihnen werden sich nicht von der Katastrophe der Wahl 2017 erholen. Macron hat von der Tatsache profitiert, dass viele nicht wollen, dass Marine Le Pen und die Front Nacional die Wahl gewinnen, die meisten haben ihre Stimme nicht abgegeben oder ungültig gewählt. Die Macron-Regierung ist eine Regierung der multinationalen Konzerne und des Finanzkapitals. Wenn die Form auch neu ist, die Macron-Regierung ist eine politische Fortsetzung der Regierung von Hollande. Schließlich war Macron vorübergehend ein Teil der Hollande-Regierung. Die historische Niederlage der Sozialdemokratischen Partei bei der Wahl in Frankreich geschah in Wahrheit auf der Grundlage ihrer Politik gegen die Interessen der Arbeiterklasse und der Migranten.

 

 

 

8.         Direkt nach den Präsidentschaftswahlen wurde eine "Front Social" von Aktivisten aus den Initiativen gegen das El-Khomri-Gesetz, CGT-Gewerkschafter von Goodyear und weiteren Gewerkschaftsgruppen der CGT, die SUD/Solidaires, NPA-nahen Gruppierungen und anderen gegründet. Sie konnten eine Reihe von Demonstrationen durchführen und Treffen im ganzen Land über die Bildung der "Front Social" durchführen, aber die Anzahl der Unterstützer blieb recht klein. In Paris haben sie zwischen 1.000 und 3.000 Aktivisten zusammengebracht. Das wird nicht ausreichen, um die Politik von Macron und die Umsetzung der Interessen der multinationalen Konzerne und des Finanzkapitals durch die Abschwächung der Arbeitnehmerrechte zu stoppen. Allerdings ist die Initiative ein wichtiger erster Schritt und muss ihre Kampfbereitschaft im kommenden Massenstreik beweisen.

 

 

 

9.         Die Revolutionärinnen und Revolutionäre in Frankreich müssen sich für einen unbefristeten Generalstreik gegen die neuen Arbeitsgesetze aussprechen. Ein solcher Streik wäre für die herrschende Klasse sehr gefährlich, da er die Möglichkeit gibt, der neuen Regierung einen Todesstoß zu versetzen. Es ist entscheidend, dass Revolutionäre die Einheitsfronttaktik in der kommenden Periode anwenden. Sie sollten die Gewerkschaften und verschiedene Linksparteien (z.B. PCF, France Insoumise, Front Social, NPA, LO usw.) anrufen, eine Einheitsfront zu bilden, um den Kampf gegen die Sparpolitik Macrons untereinander abzustimmen. Um die Regierung zu zwingen, die Arbeitsgesetze zurückzunehmen, aber auch um die neoliberale Regierung zu zerschlagen, muss der Generalstreik, als ein unbefristeter, gut organisiert und durch Selbstverteidigungs-Einheiten der Arbeiter und Unterdrückten geschützt werden. Es ist höchstwahrscheinlich, dass der kapitalistische Staatsapparat und seine Repressionskräfte, d.h. die Polizei und wahrscheinlich sogar das Militär, eher früher als später gegen den unbefristeten Generalstreik mobilisieren werden.

 

 

 

10.      Ab einem gewissen Punkt wird der Generalstreik vor einer entscheidenden Phase stehen, in der die Revolutionäre sich nicht nur für die Umwandlung der Selbstverteidigung-Einheiten in bewaffnete Milizen der Arbeiter und Unterdrückten aussprechen, sondern diese Umwandlung selbst organisieren müssen. Das ist der Weg zum Erfolg und verhindert dazu unnötiges Blutvergießen. Ein unbefristeter Generalstreik, wenn er erfolgreich ist, könnte zum Untergang der Macron-Regierung führen. Unter den gegenwärtigen Bedingungen, ohne dass eine revolutionäre Massenpartei existiert, sollten sich Sozialisten für eine Regierung aussprechen, die sich aus den (meist reformistischen) Massenorganisationen der Arbeiterbewegung zusammensetzt, wie der CGT und anderen kämpferischen Gewerkschaften sowie Parteien wie der PCF, der NPA und anderen. Um jedoch die kapitalistische Offensive zu beenden, muss die Arbeiterklasse die Macht übernehmen und die herrschende Klasse stürzen. Mit anderen Worten, sie muss eine Arbeiterregierung auf der Grundlage von Aktionsräten und bewaffneten Volksmilizen schaffen, die den Weg zum Sozialismus öffnen. Nur ein organisierter Aufstand der Massen, eine sozialistische Revolution kann die Ära der permanenten Ausbeutung und Unterdrückung unserer Klasse beenden, egal ob sie von einer Regierung von Macron oder anderen geführt wird. Nur der bewaffnete Aufstand kann eine Regierung der Arbeiter und Unterdrückten errichten, die zu einer sozialistischen Gesellschaft führt. Nur ein solcher Weg kann die Tage der Unterdrückung und Ausbeutung beenden. Ein sozialistisches Frankreich als Teil einer europäischen Föderation der sozialistischen Staaten - der Vereinigten Sozialistischen Staaten Europas - das ist die revolutionäre Antwort auf die Ideen einer "VI. Republik" von Mélenchon und France Insoumise! Dafür ist die Bildung einer revolutionären Führung in einer neuen Arbeiterpartei dringend notwendig. Dies ist nicht nur im Interesse der Arbeiter und Unterdrückten in Frankreich, sondern auch international.