Technischer Fortschritt: Abhörspielzeug für die reichen Länder, Massensterben der Armen


Artikel von Almedina Gunic, Revolutionär-Kommunistische Organisation BEFREIUNG, www.rkob.net
 
 
Fortschritte in Technik und Naturwissenschaft hat im Rahmen des Klassensystems einen zwiespältigen Charakter. Das gilt besonders für die Niedergangsperiode des Kapitalismus, in seiner imperialistischen Epoche. Je nach Bereich in denen technologische Fortschritte gemacht werden, überwiegt ein grundsätzlich positiver oder grundsätzlicher negativer Charakter. Auf Grund der Dekadenz der reichen Bevölkerungsteile gibt es auch des öfteren technologische Entwicklungen, die recht wertlos sind.
 
 
Fast jeder technologische Fortschritt, der zum Bespiel im Bereich der Medizin gemacht wird ist an und für sich eine wichtige Weiterentwicklung. Er bietet eine hilfreiche Grundlagen zur zukünftigen, massiven Hebung der Lebensqualität der Menschheit. Diese Hebung der Lebensqualität kann ohne Frage erst im Rahmen einer weltweiten sozialistischen Gesellschaft der gesamten Menschheit zugute kommen. Solange wir in einer profitorientierten, unterdrückerischen Klassengesellschaft leben wird die klare Mehrheit der Menschheit in ausbeuterische, ungesunde und zutiefst menschenunwürdige Verhältnisse gezwungen. Die Ausbeutung der sogenannten Dritten Welt, der Halbkolonien, ist die Geisel der Menschheit. Zunehmende imperialistische Kriege, aber auch Hungerkatastrophen und Umweltkatastrophen gehören zum Tagesgeschäft des Imperialismus. Medizinische Fortschritte sind damit zusammenhängend der Mehrheit der Menschheit gar nicht zugänglich. Sie werden unseren Brüdern und Schwestern bewusst nicht zugänglich gemacht!
 
 
Roboterarme hier und Lepra dort
 
 
Technologische Fortschritte in wichtigen Bereichen wie der Medizin sind heute fast ausschließlich zum Nutzen der reichen, imperialistischen Länder und der wohlhabenden Klassen – der Bourgeoisie und der oberen Mittelschicht. Während in den wohlhabenden Teilen der Welt selbst komplizierte Herzoperationen für sehr selten vorkommende Krankheiten eine hohe Erfolgsquote haben, grassieren in breiten Teilen der Welt massenhaft Krankheiten, die längst heilbar sind. Die Geisel des indischen Volkes und da gerade der Armen ist Lepra. Eine schon seit den 80er Jahren mit einem Mix aus drei Antibiotika heilbare Krankheit, die dennoch jedes Jahr 120 000 Menschen in Indien neu infiziert.
 
 
In den imperialistischen Ländern wurden schon Armprothesen entwickelt, die mit gedanklicher Steuerung funktionieren und bei denen die Finger wie alle Gelenke wie es Menschen gewohnt sind bewegt werden können. Selbst Tastsinn und Wärme/Kälteempfindung wurde in einige dieser Prototypen erfolgreich integriert. Gleichzeitig sterben in Afrika jedes Jahr mehr als eine Million Menschen an Atemwegsinfekten, die fast alle problemlos heilbar wären. Anhaltende Durchfallerkrankungen lassen mehr als 600.000 Menschen, hauptsächlich Kinder, jedes Jahr in Afrika sterben! Der technische Fortschritt in einen der wichtigsten Bereiche der Menschheit, dem Gesundheitsbereich, ist somit im Rahmen der kapitalistischen Klassengesellschaft ein Segen nur für die wohlhabenden Länder und Klassen. Für alle anderen, die eine Mehrheit der Weltbevölkerung stellen und tagtäglich ihr Leben im Kampf gegen längst heilbare Erkrankungen verlieren, ist diese Kluft in der medizinischen Versorgung mehr als bitter. Und dabei stellt der technische Fortschritt im Bereich der Medizin noch einen meist fortschrittlichen Charakter dar (Errungenschaften der plastischen Chirurgie sind dabei öfters eine Ausnahme). Andere Bereiche, in denen neue Technologien Anwendung finden liegen so sehr außerhalb der Lebensrealität der Armen und Unterdrückten, dass sie wie ein falscher Film wirken.
 
 
Barbie sieht und hört alles
 
 
Eine Arbeitskollegin von mir kommentierte des öfteren Beschwerden von Gästen im Café augenrollend mit den Worten: „First World Problems“. Ich sah sie vor mir, mit verschränkten Armen, ungeduldig wippenden Füßen und genervten Ton in der Stimme als ich die Meldungen über die abhöranfälligen Spielzeuge las. Der Hongkonger Hersteller VTech wurde gehackt. Über 6 Millionen Kinderprofile, die mit dem digitalen Aufnahmespielzeug des Konzerns von Privatpersonen erfasst wurden wären damit leicht zugänglich. Fotos und Videos aus dem Kinderzimmer werden unfreiwilligerweise zum Gemeingut.
 
 
Auch andere Formen der Überwachung im Kinderzimmer sind aktuell am Markt. So gibt es eine neue Barbie-Puppe, die Unterhaltungen führen kann. Dazu wird alles was das Kind zur Puppe sagt auf eine Cloud geladen und bearbeitet, so dass die Puppe passende Antworten geben kann. Eltern können sich alles Gesagte täglich per Email zuschicken lassen. Das Hacken von VTech führt jetzt zu großer Empörung, ebenso wie Kritiken zur neuen Barbie und anderen ähnlich funktionierenden Spielzeug lauter werden. Man braucht nicht viel Fantasie um zu erahnen was sich alles Verbrecherische damit machen ließe. Auch wenn die Sorgen wegen kriminellen Elementen, die solche Informationen für sich nützen können, verständlich sind, wird ein wichtiger Aspekt seitens der bürgerlichen Medien totgeschwiegen: Der Zugriff des Repressionsapparates.
 
 
Wenn Barbie wirklich alles hören kann, kann sie wohl auch früher oder später für den großen Bruder oder die große Schwester zum Problem werden, wenn diese ins Visier der Polizei geraten. In Zeiten zunehmender Ausnahmezustände und wachsender Bewachung, der systematischen Aushebelung demokratischer Grundrechte wird so etwas Dekadentes wie abhörgeeignetes Spielzeug zu mehr als einem Problemchen a la „First World Problems“. Aktuell wurden 24 Umweltaktivisten in Frankreich schon vorab unter Hausarrest gestellt, um sie von potentiellen Aktionen rund um den Klimagipfel COP21 fernzuhalten. Mit Barbies Hilfe könnten das in Zukunft weit mehr Aktivisten aus allen möglichen politischen Bereichen werden.
 
 
Neben dem fragwürdigen Energieaufwand solche dekadenten Spielzeuge zu entwickeln während die Mehrheit der Menschheit noch nicht mal Zugang zu ausreichender Versorgung an grundlegenden Lebensmittels hat, kommt also auch der Überwachungsaspekt dazu. Technologie ist im Rahmen der Klassengesellschaft somit selbst in einem kleinen und objektiv wenig wichtigen Bereich kein kompletter Segen, ja noch nicht einmal für die wohlhabenderen Teile der Menschheit.
 
 
Wirtschaft und Waffen
 
 
Der technologische Fortschritt beschränkt sich aber nicht nur auf Bereiche wie dem Gesundheitsbereich, der Freizeitbranche oder auch dem Haushalt. Jede wissenschaftliche Entdeckung bekommt im Rahmen des Kapitalismus einen bittere Note. Gentechnik kann objektiv betrachtet die Menschheit zu höheren Sphären führen, nimmt im Rahmen des Kapitalismus allerdings ein Frankenstein-Dasein ein. Gentechnisch verändertes, patentiertes Saatgut, dass sich aggressiv ausbreitet hat so manche Bauernfamilie in den kompletten Ruin getrieben. Immerhin ist es von einem Konzern oder reichen Landbesitzer patentiert worden, um über leichten und kostenlosen Weg Land aufzukaufen. Wenn Bauern ihre Ernte einfahren und sich dabei das über Wind rasch übertragene gentechnisch veränderte, aggressive Saatgut in die Ernte gemischt hat und das ursprüngliche Saatgut fast komplett verdrängt hat, müssen Konzerne und Landbesitzer nur mit dem Patent wedeln und können jeden Bauern gerichtlich in die Steinzeit zurückklagen.
 
 
Gar nicht davon anzufangen wie sich die technologische Entwicklung im Rahmen des Militärs und der allgemeinen Waffenindustrie ausdrückt. Neben der atomaren Waffe als besonders zerstörerische Massenvernichtungsmittel hat sich auf vielen anderen Ebenen der Waffenentwicklung inzwischen weit mehr getan. Neben Drohnen und andere ferngesteuerte Waffen haben sich auch gerade die Mittel für Polizeieinsätze weiterentwickelt. Waffen, die Menschen zum meist nur kurzzeitigen Erblinden bringen oder Brechdurchfälle erzeugen, können früher oder später massenhaft als „harmlose“ Einsatzwaffen gegen Demonstranten genutzt werden. Tatsächlich bringt in diesem Bereich die zunehmenden Technologisierung einen potentiellen Vorteil für die unterdrückten Klassen. Bestimmte Waffensysteme werden leichter produzierbar und zugänglicher. Eine gewisse Zeit über war es möglich legal Pläne für eine leichte Handfeuerwaffe runterzuladen und mittels 3D-Drucker auch selber herzustellen. Es ist zu erwarten, dass ähnlich Fälle noch vorkommen werden. Eine Demokratisierung des Zugangs zu Waffen wird damit möglich. Grundsätzlich bedeutet die zunehmende Weiterentwicklung in der Waffenindustrie allerdings eine größer werdendes Damokles-Schwert über den Köpfen der Menschheit.
 
Technologie und Klassenkampf
 
Jede Form von technologischer Weiterentwicklung im Rahmen des Kapitalismus, und gerade auch in seiner Niedergangsepoche, dem Imperialismus, hat also zwiespältigen Charakter. Sie ist in vielen Fällen dekadente Abart, die das Gefälle von Arm und Reich weltweit noch deutlicher macht. In vielen Fällen ist sie der Horror für die Armen und drückt sie tiefer in ihr Elend. Sie ist oft nutzbar zur Überwachung. In einigen Fällen kann sie sogar den Weg in die Barbarei erleichtern, gerade wenn es um Massenvernichtungswaffen geht. Und manchmal ist sie ein Schimmer, der auf eine mögliche glorreiche Zukunft deutet. Was wäre alles möglich, wenn die Technologie ausschließlich in den Händen der ArbeiterInnenklasse und Unterdrückten läge? Der Übergang hin zum Sozialismus nach einer erfolgreichen Weltrevolution könnte auf Basis bisheriger technischer Fortschritte in rasendem Tempo erfolgen.
 
Letzlich ist jede Form von technischer Weiterentwicklung vom Blickpunkt des Klassenkampfes aus zu bewerten. Wir lehnen plumpe „Zurück-zum-Ursprung“ Mantras ab, die eine prinzipielle Feindschaft gegenüber dem technischen Fortschritt beinhalten. Das sind fast immer kleinbürgerliche Fantasien der Befriedung des Kapitalismus mittels Selbtsverwirklichungsprojekten Einzelner und dem Glauben, dass die vergangenen Klassengesellschaften beschaulichere da natürlichere Lebensverhältnisse geboten hätten. Jede Person, die sich ernsthaft mit Geschichte auseinandersetzt kann das nur als unwissenschaftliche Fantasie abtun. Dennoch sehen wir jede technische Weiterentwicklung immer vom Blickpunkt der Nützlichkeit für unsere Klasse und für die Unterdrückten weltweit. Immerhin ist es auch unsere Aufgabe, den technologischen Fortschritt soweit uns möglich ist für den Kampf gegen die herrschende Klasse zu nützen. Die Revolution, die Enteignung der Kapitalistenklasse und die Erkämpfung des Sozialismus ist letztlich eine Sache, die wir Menschen selbst organisieren müssen. Die Technik kann dabei immer nur unser Instrument sein und steht nie für sich allein.
    
Quellen:
 
http://www.welt.de/gesundheit/article114267199/Erste-Prototypen-gedankengesteuerter-Prothesen.html
 
http://www.welt.de/gesundheit/article114267199/Erste-Prototypen-gedankengesteuerter-Prothesen.html
 
http://orf.at/stories/2312411/2312412/
 
http://www.focus.de/magazin/archiv/nachrichten-todesursachen-in-afrika_id_4294207.html
 
http://derstandard.at/2000015751383/High-Tech-10-Beispiele-fuer-noch-gefaehrlichere-Waffensysteme